Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
allein, genau wie er erwartet hatte. Sie hielt neben ihm an und ließ das Fenster herunter.
»Hallo, Reacher«, begrüßte sie ihn.
Er nickte wortlos.
»Soll ich Sie mitnehmen?«, fragte sie.
»Raus oder zurück?«, wollte er wissen.
»Wohin Sie wollen.«
»Zur Auffahrt auf den I-95. In Richtung Norden.«
»Wollen Sie trampen?«
Er nickte. »Ich habe kein Geld für einen Flieger.«
Er setzte sich neben sie, worauf sie vorsichtig Gas gab und anfuhr. Sie trug ihren zweiten Anzug und hatte die Haare offen.
»Hat man Sie beauftragt, mich zurückzubringen?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Die sind zu dem Schluss gekommen, dass Sie nutzlos sind. Nichts zur Lösung des Falls beitragen können, wie sie es ausgedrückt haben.«
Er lächelte. »Und jetzt soll ich vermutlich bei meiner Ehre gepackt werden, auf der Stelle kehrtmachen und ihnen das Gegenteil beweisen.«
Sie lächelte ebenfalls. »So was Ähnliches. Sie haben zehn Minuten darüber diskutiert, wie man am besten vorgehen sollte. Lamarr meinte, man sollte Sie bei Ihrem Selbstwertgefühl packen.«
»Das kommt dabei raus, wenn sich eine gelernte Landschaftsgärtnerin auf Psychologie verlegt.«
»Vermutlich.«
Sie fuhren weiter durch den Wald, am letzten Stützpunkt der Marineinfanterie vorbei.
»Aber sie haben Recht«, sagte er. »Ich kann nichts zur Lösung des Falls beitragen. Niemand wird diesen Kerl fassen. Er ist zu gerissen. Jedenfalls zu gerissen für mich, so viel steht mal fest.«
»Spielt da bei Ihnen nicht auch ein bisschen Psychologie mit? Versuchen Sie sich etwa mit einem reinen Gewissen davonzustehlen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe immer ein reines Gewissen.«
»Auch in Bezug auf Petrosian.«
»Warum denn nicht?«
»Ein ziemlicher Zufall, finden Sie nicht? Man droht Ihnen mit Petrosian, und drei Tage später ist er tot.«
»Pures Glück.«
»Genau, pures Glück. Ich habe niemandem erzählt, dass ich den ganzen Tag lang draußen vor Trents Büro saß. Ist Ihnen das klar?«
»Warum nicht?«
»Vorsichtshalber.«
Er sah sie an. »Was soll denn in Trents Büro passiert sein?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Aber ich halte nichts von Zufällen.«
»So was kommt von Zeit zu Zeit vor. Das versteht sich doch von selbst.«
»Zufälle mag man beim FBI nicht.«
»Na und?«
Wieder zuckte sie die Achseln. »Wissen Sie, man könnte ein bisschen nachbohren. Ihnen später vielleicht das Leben schwer machen.«
»Das ist jetzt Ansatzpunkt Nummer zwei, stimmt’s?«
Sie lächelte, dann lachte sie laut los. »Genau, Nummer zwei. Es gibt noch ein gutes Dutzend anderer. Soll ich sie alle aufzählen?«
»Nicht nötig. Ich komme nicht zurück. Die hören nicht auf mich.«
Sie nickte und fuhr weiter. Hielt vor der Abzweigung auf den Highway kurz an und nahm dann die Auffahrt in Richtung Norden.
»Ich bringe Sie zur nächsten«, sagte sie. »Die hier wird nur von FBI-Leuten benutzt. Und die nehmen Sie bestimmt nicht mit.«
Er nickte. »Danke, Harper.«
»Jodie ist zu Hause«, sagte sie. »Ich habe bei Cozos Dienststelle angerufen. Offenbar hat man sie überwacht. Sie ist weg gewesen und heute Morgen mit dem Taxi zurückgekommen. Anscheinend vom Flughafen. Sieht so aus, als ob sie heute zu Hause arbeitet.«
Er lächelte. »Okay, dann habe ich die Sache also endgültig hinter mir.«
»Wir brauchen Ihre Anregungen, wissen Sie?«
»Die hören nicht auf mich.«
»Dann müssen Sie sich eben Gehör verschaffen«, meinte sie.
»Ist das jetzt Ansatzpunkt Nummer drei?«
»Nein, das ist mein Standpunkt. Und ich meine es ernst.«
Er schwieg eine Weile. Dann nickte er.
»Und warum wollen sie nicht auf mich hören?«
»Vielleicht aus Stolz«, erwiderte sie.
»Sie brauchen Anregungen«, sagte er. »Das steht mal fest. Aber nicht von mir. Ich habe weder den Rückhalt noch die nötigen Vollmachten.«
»Wofür?«
»Um ihnen die Sache aus der Hand zu nehmen. Mit dieser Profilscheiße verschwenden sie nur ihre Zeit. Damit kommen sie nicht weiter. Sie müssen sich mit den Hinweisen befassen.«
»Es gibt keine Hinweise.«
»Doch, es gibt welche. Zum Beispiel, dass es ein ganz gerissener Typ sein muss. Dazu die Farbe, die geografische Lage der Tatorte, dass keinerlei Gewalt angewandt wurde. Das sind alles Hinweise. An die sollten sie sich halten. Sie haben irgendeine Bedeutung. Wenn man mit dem Motiv anfängt, zäumt man das Pferd von hinten auf.«
»Ich werde es weitergeben.«
Sie fuhr vom Highway ab und hielt an der
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