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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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Glück.« Ihre Mutter strich ihr das Haar aus der Stirn. »Du wirst stark sein. Und alle Peaches und Tylers der Welt werden dir nicht weh tun können.«
    Daisy schwieg. Sie malte sich aus, groß wie ein Riese zu werden und eine winzige Peaches mit dem Fuß zu zermalmen.
    »Außerdem«, fügte ihre Mutter in sachlichem Ton hinzu, »ist Peaches ein ganz schlimmes Mädchen.«
    »Ich weiß.« Daisy seufzte. »Aber er liebt sie.«
    »Ich bezweifle sehr, dass Tyler Peaches liebt, mein Schatz. Jungs sind nun mal so. Peaches ist ein lockeres Ding, und Jungen in dem Alter nehmen, was sie kriegen können.«
    »Und dann ist da noch was passiert, Mummy …« Daisy unterbrach sich. Sie sah wieder Anitas große Augen vor sich und roch ihren Atem. »Es ist so furchtbar.«
    »Was denn?«
    »Anita. Sie hat mir ein Taschentuch gegeben, und dann … dann hat sie mich geküsst, Mummy.«
    »Ach, du meine Güte!« Ihre Mutter lachte. »Das ist interessant.«
    »Das ist nicht witzig, Mummy.« Daisy setzte sich auf. »Warum hat sie das gemacht? Sie weiß doch, dass ich Tyler liebe und dass ich von ihm geküsst werden wollte.«
    »Nein, du hast recht, das ist nicht witzig«, sagte ihre Mutter, aber sie lächelte weiter. »Anita ist einfach ein sehr theatralisches Mädchen. Und ihre Familie ist, ehrlich gesagt, ein bisschen sonderbar, Daisy.«
    »Das ist mir egal. Ich hasse sie alle.«
    »Liebling!« Ihre Mutter nahm Daisys Gesicht zwischen die Hände. »Hör mir zu! Ich sage dir das, weil es vielleicht eines Tages sehr wichtig für dich ist, daran zu denken.« Ihre Mutter blickte ernst drein, ihre großen grünen Augen waren wie Schlangenhaut. »Wenn eines sicher ist im Leben, dann das: Man küsst nicht immer den richtigen Menschen.«

August 1959
    II
    D aisy schraubte den hölzernen Spanner von ihrem Schläger ab, schob die Finger zwischen die Darmsaiten und drückte sie zurecht. Es war elf Uhr vormittags. Die Sonne tat schon weh auf ihren bloßen Schultern, und der Sandplatzstaub trübte rings um sie die Luft.
    Sie legte den Spanner auf die Zuschauerbank hinter dem Netzpfosten und sah zur großen, kühlen Veranda hinüber, auf der ihre Mutter saß und sich mit Mrs. Coolridge unterhielt. Die Clubpräsidentin sagte gerade etwas, und Daisys Mutter bestätigte es mit einem leichten Nicken. Im Gegensatz zu ihrem Vater, der ihr am Morgen mit einem Kuss viel Glück gewünscht hatte, wirkte Daisys Mutter so frisch, als hätte die Party nie stattgefunden. Daisy sah, wie Mr. Montgomery Peaches etwas ins Ohr flüsterte. Sie wandte sich wieder dem Spielfeld zu.
    Sie scharrte mit ihren Keds ein bisschen im Sand und klopfte ihn mit der Schlägerspitze wieder ab. Peaches kam die Treppe herunter. In ihrem Pferdeschwanz fing sich das Sonnenlicht. Daisy schob ihr Stirnband höher und wischte sich mit dem Handrücken die Schweißperlen von der Oberlippe.
    Als sich Peaches auf die Bank setzte, ein Stück Putzleder aus der Tasche zog und den bereits glänzenden Rahmen ihres Schlägers zu polieren begann, tat Daisy, als würde sie nicht hinschauen.
    Sie ist kaltblütig, ich bin hitzig. Sie ist kaltblütig, ich bin hitzig.
    Sie sah noch einmal zur Veranda hinüber. Ihre Mutter hatte den Blick auf sie gerichtet. In der glatten Haut zwischen ihren Brauen stand eine kleine Falte. Mrs. Coolridge schüttelte Mr. Montgomery die Hand und quittierte eine Bemerkung von ihm mit einem Lächeln. Die Stimmen waren nur als Gemurmel zu hören und gaben Daisy das Gefühl, als läge das heiße Sandrechteck auf einem anderen Stern. Ihr Kopf schmerzte vom grellen Licht, und in ihren Ohren pfiff es leise.
    Eine Bullenhitze.
    Auf der Veranda kam leichte Unruhe auf. Mrs. Coolridge drehte den Kopf und spähte blinzelnd in das dunkle Innere des Clubhauses.
    Ed kam heraus. Beim Anblick der Präsidentin zuckte er kaum merklich zusammen. Mit wenigen lässigen Schritten ging er auf Daisys Mutter zu. Daisy stieß die Luft aus. Sie hatte ihn seit der Nacht nicht mehr gesehen und war, ohne den Grund dafür nennen zu können, froh, dass er da war. Ihre Mutter sah lächelnd zu ihm auf, während er jetzt einen der Liegestühle heranzog und sich daraufsetzte. Daisy betastete mit Daumen und Zeigefinger die Pfeilspitze in der Tasche ihres Tenniskleids. Sie fühlte sich rauh an wie ein Stückchen Koralle.
    Mrs. Coolridge kam die Treppe herunter.
    »So, Mädchen, ihr kennt die Regeln. Sechs Punkte mit zwei Punkten Vorsprung, zwei Gewinnsätze.«
    Daisy zog mit der Gummispitze ihres

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