Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
Vom Netzwerk:
die Straße fast ein Schotterweg geblieben war, während sich alles andere auf der Insel veränderte. Mit solchen Gedanken erreichte er die Ecke und sah Frank und das Mädchen aus dem Hideaway kommen. Der Kopf der jungen Frau lehnte an Franks Schulter.
    Hughes erschrak und blieb zurück, um nicht bemerkt zu werden. Er sah die beiden davonschlendern und beschloss, da er nicht sicher war, ob er schon weitergehen sollte, die Zeit mit einer Zigarette totzuschlagen. Während er rauchte, versuchte er herauszufinden, was ihn so überrascht hatte. Seine Verwirrung rührte nicht von der offensichtlichen Schlussfolgerung her, sondern beruhte vielmehr darauf, dass er es merkwürdig fand, wie sorglos Frank sich verhielt. Jeder, der die beiden zufällig gesehen hätte, wäre über die Sache im Bilde gewesen, und die Insel war klein, jeder kannte jeden. Da konnte man nicht einfach durch die Straßen gehen und seine Geheimnisse vor sich hertragen. Und wenn man so dumm war, es doch zu tun, wusste zwei Sekunden später der ganze Ort davon.
    Hughes trat die Zigarette aus und setzte den Heimweg fort. Kurz vor der Zufahrt an der North Summer Street sah er Ed, besser gesagt Eds Silhouette. Und hinter dem Jungen wieder Frank Wilcox, immer noch mit der Hausangestellten, diesmal aber in ein sehr innig wirkendes Gespräch vertieft. Als Erstes fragte sich Hughes, wie es Ed gelungen war, sich so spät unbemerkt aus dem Haus zu schleichen, doch diesen Gedanken vergaß er sofort, als er sah, dass der Junge sich lautlos wie eine Katze am äußersten Gehsteigrand, dicht an der die Straße säumenden Ligusterhecke, dem Pärchen zu nähern begann. Frank und das Mädchen bogen, von Ed gefolgt, Richtung Tennisclub in die Morse Street ein. Dort, wo Frank eben noch gestanden hatte, blieb der Junge kurz stehen, bückte sich und hob etwas auf. Dann bog auch er um die Ecke und war außer Sicht.
    Hughes stand da und kam sich idiotisch vor. Die Idee, Ed zu verfolgen, der seinerseits Frank verfolgte, schien ihm völliger Unfug zu sein, aber was blieb ihm übrig? Er konnte schlecht zulassen, dass Ed den beiden nachstellte, vor allem in Anbetracht dessen, was sie sehr wahrscheinlich vorhatten.
    Er beschloss, sich Ed zu schnappen und nach Hause zu befördern. Er ging zur Straßenecke, doch als er die Morse Street erreichte, war niemand zu sehen. Er lief ans Ende der Straße und von dort auf den überwucherten Pfad, der an den Tennisplätzen entlang zu Sheriff’s Meadow führte. Kurz blieb er stehen und lauschte. Vor ihm waren Schritte zu hören.
    Seit die Gemeinde einen richtigen Weg vom Pease’s Point Way zu Sheriff’s Meadow angelegt hatte, wurde der Pfad nur noch selten benutzt. Während Hughes ihn nun entlangging, stieg rings um ihn der Duft unberührten Pflanzenlebens in die warme Luft. Der tiefstehende Mond spendete Licht, aber nicht viel, und Hughes musste die Schritte vorsichtig setzen, um nicht über niedrige Äste und Wurzeln zu stolpern.
    Als er den heruntergekommenen Schuppen am alten Eisteich erreichte, blieb er erneut stehen. Das Ding schien wie geschaffen für ein Schäferstündchen mit einem Mädchen, das nicht die eigene Frau war. Doch nachdem er eine Weile gelauscht hatte, wurde ihm klar, dass sich dort niemand aufhielt. Er sah sich nach irgendwelchen Hinweisen um. Er befand sich nun im Hinterland von Sheriff’s Meadow; vor ihm lag das Sumpfland, rechts und links gab es nur dichtes Unterholz, und beides erschien ihm nicht besonders einladend. Seine Schuhe waren nass vom feuchten Boden; er fluchte leise vor sich hin. Sobald er Ed gefunden hätte, würde er ihm ordentlich die Meinung geigen über diese Wildgänsejagd. Wenn er ihn denn fand.
    Er wollte es schon gut sein lassen und zu Hause auf den Jungen warten, als er seitlich hinter einem Gebüsch raschelnde Schritte hörte. Er spähte durch die Äste und versuchte etwas zu erkennen. Viel sah er nicht, aber die Schritte bewegten sich eindeutig von ihm fort. Scheiße. Er bedeckte das Gesicht, damit es nicht von den Zweigen zerkratzt wurde, und zwängte sich durchs Gestrüpp.
    Auf der anderen Seite war ein gewundener, von einer wilden Hecke gesäumter Pfad. Schwerer Geißblattduft hing in der Luft, und unwillkürlich dachte Hughes daran, wie er Nick nach einem Tanzabend vor dem Haus ihrer Mutter zum ersten Mal geküsst hatte. Sie hatte an der Seitenwand des Hauses gelehnt, ein bisschen hineingedrückt in die üppig blühende Pflanze, die dort an einem Rankgerüst wuchs, und seitdem war der

Weitere Kostenlose Bücher