Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
rief nicht.
Als der Krimi endlich zu Ende war, dachte Laura daran, Angelo anzurufen. Doch es war schon spät, und sie ließ es bleiben. In Sofias Zimmer brannte noch Licht, auch noch, als Laura aus dem Badezimmer kam.
«Gute Nacht!», rief sie laut.
«Gute Nacht!», kam die Antwort zurück, doch Sofias Tür blieb geschlossen.
Auch gut, dachte Laura und legte sich ins Bett. Vom Buch, das sie zu lesen versuchte, verstand sie kein Wort, weil ihre Gedanken eigene Wege gingen. Überallhin. Vor allem aber nach Siena.
Am nächsten Morgen fühlte sie sich klarer. Sie hatte zwar schlecht geschlafen und wäre lieber in Siena aufgewacht, doch sie funktionierte immerhin. Sie machte Frühstück und fragte Sofia, ob das Gespräch mit Patrick schön gewesen sei. Laura hätte nicht fragen müssen – Sofia strahlte, gab ihr bereits vor dem Frühstück drei Küsse und schien die Verstimmung vom Vorabend vergessen zu haben. Danach war sie schnell fort, hinaus in ihr anderes Leben, und Laura machte sich auf den Weg in ihres.
Während der Fahrt ins Präsidium klingelte ihr Mobiltelefon.
«Pronto, Claudia!», sagte Laura nach einem Blick aufs Display.
«Ah, Laura, gut, dass ich dich gleich erwische!» Die Stimme der Dezernatssekretärin klang nervös.
«Was ist los?»
«Ich hab gerade erfahren, dass Peter im Krankenhaus liegt. Du fährst besser gleich hin!»
«Unser Peter? Kommissar Baumann? Bist du sicher, Claudia?»
«Ja, ich bin sicher. Er liegt im Rechts der Isar.»
«Was ist denn passiert?»
«Ich weiß es nicht genau. Er scheint letzte Nacht in eine üble Schlägerei geraten zu sein. In einem Fast-Food-Restaurant in der Innenstadt. Mehr weiß ich auch nicht. Fährst du hin?»
«Natürlich. Was ist denn mit ihm?»
«Keine Ahnung. Aber wenn er im Krankenhaus liegt, dann muss er wohl verletzt sein. Grüß ihn von mir, bitte. Und sag ihm, dass ich ihn später besuchen werde.»
«Mach ich.»
«Du bist nicht gut drauf, oder?»
«Na, jetzt bestimmt nicht mehr.»
«Ich sag dem Chef, dass du zu Peter gefahren bist. Hoffentlich ist es nicht so schlimm!»
Laura hatte mit ihrem alten Mercedes bereits die Isarbrücke am Volksbad überquert und bog in letzter Sekunde rechts ab. Doch obwohl ihr Abstand zu einem rasenden Radfahrer groß genug war, schickte der ihr eine wüste Beschimpfung hinterher und schwenkte eine Faust. Irgendwann nehme ich mir einen von denen vor, dachte Laura und gab Gas.
Feiner Dampf stieg vom Fluss auf, als wäre das Wasser über Nacht aufgeheizt worden, und über den Bäumen am Straßenrand lag ein Hauch von Grün, eine Ahnung nur von aufplatzenden Knospen und winzigen, sich entfaltenden Blättern. Es war ein unentschiedener Morgen, hoch am Himmel hingen Wolkenschleier, und die Sonne schien milchig auf die Stadt. Sie stand noch tief, und ihr Licht war kraftlos.
Laura mochte dieses gelbliche Licht nicht und die Unentschiedenheit. Das Wetter schien ihre innere Verfassung zu spiegeln. Außerdem war sie ernsthaft beunruhigt über ihren Kollegen. Warum hatte man sie nicht früher benachrichtigt? Es passte überhaupt nicht zu Peter, dass er in eine Schlägerei geriet. Aus solchen Dingen hielt er sich meistens heraus, erst recht, wenn er nicht im Dienst war.
Prügelei in einem Fast-Food-Restaurant, dachte sie. Er hatte sich doch vorgenommen, das Zeug nicht mehr zu essen.
«Madre mia» , murmelte Laura Gottberg und blieb erschrocken am Fußende des Bettes stehen. Von Kommissar Baumann waren vor allem weiße Verbände und zwei geschwollene Augen zu sehen. Er war wach und versuchte die Augen ein bisschen weiter aufzureißen, als er Laura sah.
«Hallo», flüsterte er. «Gut, dich wiederzusehen. Wär beinahe schiefgegangen.»
«Wie viele waren es?»
«Drei.» Peter Baumanns Stimme klang undeutlich und heiser. Offensichtlich hatten die Ärzte seinen Unterkiefer fixiert. Laura zog einen Stuhl neben das Bett, setzte sich und griff vorsichtig nach seiner rechten Hand, die nicht bandagiert war. Auch der rechte Arm schien unverletzt zu sein.
«Haben sie die Kerle erwischt?»
Er nickte kaum merklich und verzog dabei das Gesicht, hatte offensichtlich Schmerzen.
«Alle drei?»
«Ich weiß nicht genau.»
«Kannst du erzählen, was passiert ist?»
Als Baumann die Augen schloss, wurden sie zu tiefen Schlitzen in blaurotem Gewebe. Laura ertrug den Anblick nicht und schaute auf seine unversehrte Hand, streichelte sie vorsichtig.
«Nicht richtig», flüsterte er. «Ich kann mich nicht genau erinnern. Aber ich
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