Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
haben, und das sind vor allem Leute, deren Namen in diesem anonymen Protokoll auftauchen. Außerdem bin ich mir sicher, dass Sie ganz genau wissen, wer die Ermittlungen damals durchgeführt hat.»
«Falls ich es weiß, bin ich noch lange nicht verpflichtet, es Ihnen zu sagen, Laura. Es handelte sich damals um eine politisch heikle Angelegenheit, das werden auch Sie wohl inzwischen begriffen haben, oder?»
«Natürlich habe ich das begriffen. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich die Hände falte und rücksichtsvoll in die andere Richtung schaue. An dieser Geschichte ist etwas oberfaul, und wenn Sie mir verbieten, weiter zu ermitteln, dann fahre ich morgen nach Siena und gebe meinen Auftrag an Sie zurück!»
Becker schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. «Sie haben keine Erlaubnis, in Siena Nachforschungen anzustellen! Der Mord an Hardenberg ist eine Sache der italienischen Polizei. Wenn Sie sich weiter so aufführen, werde ich Sie vom Dienst suspendieren!»
«Ich habe nicht die Absicht, in Siena zu arbeiten, Herr Becker. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Einen schönen Abend.» Laura griff nach ihrem Rucksack.
«Warten Sie!» Becker brüllte noch immer.
«Ja?»
«Was haben Sie heute gemacht?»
«Ich habe mir die Sicherheitsfirma der Hardenberg Bank angesehen.»
«Warum ausgerechnet die?»
«Weil ich irgendwo anfangen muss.»
«Sie hätten bei Hardenbergs Frau anfangen sollen!»
«Die ist in Florenz.»
«Ah so.»
«Ja. Mit Tochter und Rechtsanwalt. Wieso ist sie übrigens nicht von uns benachrichtigt worden? Und ich meine in diesem Fall das BKA?»
«Ist sie nicht?»
«Nein, eine Susanne Ullmann hat sie angeblich angerufen. Eine Deutsche, die bei einer Bank in Florenz arbeitet. Das hat mir jedenfalls der Chef von Saveguard erzählt.»
«Komisch.»
«Seltsam, würde ich sagen. Der Chef von Saveguard ist übrigens ein ehemaliger Kollege. Kennen Sie ihn zufällig? Seine Name ist Wolfgang Kirr.»
Becker schüttelte den Kopf. Er hatte aufgehört zu brüllen und ließ sich schwer in seinen Schreibtischsessel fallen.
«Werden Sie eine Pressekonferenz abhalten?»
«Einen Dreck werde ich tun! Wenn sich ein deutscher Banker in Italien umbringen lässt, dann hat das mit uns nichts zu tun. Wir ermitteln nicht. Die Presse kann sich ihre Klatschgeschichten woanders holen.»
«Die werden uns die Bude einrennen.»
Becker stöhnte auf. «Ich wünschte, Sie würden die Finger von der Sache lassen, Laura. Fahren Sie nach Siena oder fliegen Sie auf den Mond, aber lassen Sie die Finger von der Hardenberg Bank.»
«Der Mond scheidet eher aus. Vielleicht fahre ich nirgendwohin, sondern bleibe einfach hier.» Sie nickte Becker zu und ging.
Als Laura ins Dezernatsbüro zurückkehrte, war Claudia deutlich anzusehen, dass sie vor Neugier beinahe platzte, doch sie hielt sich zurück.
«Schaust du am Abend noch mal bei Peter vorbei?», fragte Laura. «Schaffst du das mit der Kleinen?»
«Sie schläft heute bei ’ner Freundin aus dem Kindergarten. Das machen wir abwechselnd einmal die Woche. Den Kinder gefällt’s, und wir Alleinerziehenden haben ab und zu einen Abend frei. Klar besuche ich Peter. Er ist doch heute operiert worden. Warst du schon bei ihm?»
«Ja, er hat geschlafen. Ich wollte ihn nicht stören. Übrigens, Becker hat nicht zufällig etwas von Ersatz für Peter gesagt?»
Claudia schaute ein bisschen verwirrt. «Ich dachte, er würde mit dir darüber reden, gerade eben. In seinem Büro.»
«Nein, er hat mich vor allem angebrüllt, weil ich es gewagt habe, im BKA anzurufen und ein paar Fragen zu stellen. Inzwischen hat er sich wieder beruhigt. Fragt sich nur, für wie lange.»
«Puhhh!»
«Nicht so tragisch. Ich werd mich jetzt noch ein bisschen in die Akten vertiefen und dann nach Hause fahren. Die Überstunden von gestern Abend reichen mir.»
«Wieso hast du Überstunden gemacht?»
«Freiwillig.»
«Ärger mit den Kindern?»
«Nein, eher keinen Ärger und keine Kinder.»
«Die fliegen aus, was?»
«Ja, heftig. Also bis morgen.»
Laura konnte sich nicht konzentrieren. Nach einer halben Stunde gab sie auf und gestand sich ein, dass sie die ganze Zeit auf das Klingeln des Telefons gewartet hatte. Völlig blödsinnig. Sie war doch nicht mehr fünfzehn!
Nur um etwas zu tun, fotokopierte sie das Ermittlungsprotokoll, heftete es zusammen und steckte es in ihren Rucksack. Für den Fall, dass jemand auf die Idee kommen sollte, das Original verschwinden zu lassen. Dann machte sie
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