Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
sich einen Plan für den nächsten Morgen. Zwei Hardenberg-Banker hatte sie ausgewählt. Das Büro des einen war mit Wanzen abgehört worden, der andere hatte Drohbriefe und SMS bekommen, angeblich von der Russenmafia. Auch seine Familie war bedroht worden. In beiden Fällen hatte Saveguard die Angelegenheit bereinigt. Sie nahm sich außerdem vor, den Anlageberater ihrer eigenen Bank zu fragen, ob diese Vorkommnisse normal waren oder eine Spezialität der Hardenberg Bank.
Sechs Uhr. Ich rufe nicht an! Ich habe es gestern versucht, und er war nicht zu Hause. Aber er hätte meine Nummer auf dem Display sehen können … falls er nachgeschaut hat. Ich bin doch fünfzehn!
Laura zog ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihres Vaters. Er war tatsächlich zu Hause, und er freute sich.
«Ich komme!», sagte sie.
«Beeil dich! Ich hab genug zu essen hier.»
«Schon unterwegs.»
Er wird es merken, dachte sie auf dem Weg zum Wagen. Er wird mir zuhören, auch wenn ich nichts sage, und dann wird er Fragen stellen. Will ich das? Ja, ich will es. Er ist immer noch derjenige, der mir die besten Ratschläge gibt und der mich verdammt gut kennt. So gut, dass es manchmal schmerzt und ich ganz schnell weglaufen möchte.
Es wurde ein Weglauf-Abend, denn Emilio benötigte knappe zwanzig Minuten, um herauszufinden, was Laura vor ihm verbergen wollte. Bei Frühlingsquark, Tomaten und Pellkartoffeln lauschte er ihrem Ärger über den Chef, über den Angriff auf Baumann, die Fragen des italienischen Staatsanwalts und den arroganten Wolfgang Kirr.
«Wo wurde dieser Hardenberg umgebracht?», fragte er, als Laura endlich verstummte. Sie wusste genau, was er im Schilde führte, und versuchte auszuweichen.
«Irgendwo bei Bagno Vignoni.» Da sie den Mund voll Quark hatte, war ihre undeutliche Aussprache glaubwürdig.
«Wo?» Er legte zwei Finger hinter seine rechte Ohrmuschel.
«Bagno Vignoni.»
«Ach, da war ich ein paarmal mit deiner Mutter. Es ist ein wunderbarer Ort, sogar die heilige Caterina hat dort in den heißen Schwefelquellen gebadet. Die ganze Gegend dort ist wunderschön, der Blick ins Orcia-Tal, die Wälder, der Monte Amiata …», seufzend strich er mit der Handfläche über seine Stirn und bekam ganz verträumte Augen. «Hat Angelo dir diesen Ort noch nie gezeigt?»
«Nein, bisher nicht.»
«Das sollte er unbedingt machen. Es ist ja gar nicht weit von Siena entfernt.»
Jetzt, dachte Laura. Jetzt hat er mich gleich!
«Dann fällt dieser Mord wahrscheinlich in seinen Bereich, oder?»
«Da sind wahrscheinlich eher die Carabinieri in San Quirico d’Orcia zuständig.»
«Nein, das glaube ich nicht, dazu ist der Fall zu prominent, Laura.» Wieder fuhr er mit der Hand über seine Stirn, berührte sie aber nur mit den Fingerspitzen. «Heißt das, er hat dich in dieser Sache noch nicht kontaktiert?»
«Babbo, muss das sein?»
«Ich glaub schon.»
«Und wenn ich jetzt gehe?»
«Dann bist du feige.»
«Vielleicht bin ich einfach nur müde, genervt, traurig, wütend.»
«Ach Laura. Wie lange wollt ihr dieses Spiel eigentlich noch treiben? Als Angelo hier war, haben wir uns lange unterhalten und nicht nur einmal. Du hattest ja leider sehr viel zu tun in dieser Zeit …»
«Willst du mir Vorwürfe machen, weil ich einen Job habe, der nicht besonders beziehungsfreundlich ist?»
«Nein, nein … aber es ist eben so gewesen. Ich hab Angelo ein bisschen ausgefragt, und wir haben uns sehr gut verstanden. Er hat genauso viel Angst wie du, meine Tochter. Es ist ja auch bequem, eine große Liebe in der Ferne zu haben und gleichzeitig ziemlich frei zu sein. Ich hab da kürzlich einen Artikel über die Bindungsunfähigkeit der jüngeren Generation gelesen.»
«Babbo, bitte! Ich geh wirklich!»
«Du bleibst jetzt sitzen und hörst mir zu! In diesem Artikel hat ein sehr kluger Mensch gesagt, und das ist sogar wissenschaftlich belegt, dass die Menschen sich heute vor großen Gefühlen fürchten. Sie konsumieren sie lieber in Filmen, im Fernsehen und in Büchern.»
«Was hat das mit mir zu tun! Ich hab gar keine Zeit, ins Kino zu gehen oder fernzusehen.»
«Eine Menge hat es mit dir zu tun. Dieser Psychologe hat nämlich auch gesagt, dass Frauen und Männer Angst davor haben, einen anderen Menschen wirklich für sich zu wählen und sich festzulegen. Verantwortung zu übernehmen.»
«Was erzählst du mir denn da? Hab ich nicht Verantwortung übernommen, als ich Ronald geheiratet habe? Trage ich etwa keine
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