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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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spielen wir das Spiel, ich verschwinde
ohnehin. »Nein, ich habe es nicht geträumt, Herr Professor.« »Also?«
»Es war so.«
Meine Wortkargheit gefiel ihm nicht. »Was war so? Nun
reden Sie schon, Herr Weyden, erleichtern Sie sich.« »Interessiert es Sie wirklich?«
»Ganz außerordentlich.«
»Ich bin hungrig«, sagte ich, »immer wenn die Wirkung des
Energiekonzentrats nachläßt, rebellieren meine Eingeweide.« »Was für ein Energiekonzentrat?«
»Wie soll ich ihm das erklären?« murmelte ich vor mich hin,
und lauter: »Wir essen zum Beispiel, um unsere Zellen mit
wichtigen Aufbaustoffen zu versorgen. Verbrennung und
Umwandlung ist alles. Nur ist unsere Nahrung nicht rein, wird
nur zum Teil vom Körper verarbeitet. Wir schlemmen zuviel,
anstatt uns Energie zuzuführen. Das Resultat sind Speckbäuche
und überflüssige Falten. Die Erbauer der ›Quil‹ haben nun ein
Nahrungskonzentrat entwickelt, das vom Körper vollständig
verbraucht wird. Es wird unterschiedlich in kleinen Dosen
verabreicht und hält beliebig lange vor. Sie haben gewissermaßen die Nahrungsaufnahme auf ihren
ursprünglichen Sinn zurückgeführt.«
»Aha«, sagte der Professor gedehnt. »Nun ja, bei so langen
Reisen benötigt man wohl solche Konzentrate. Sie waren also
auf dem Jupiter…«
»Nein, ich war nur kurze Zeit in der ›Quil‹ und kam dann
sozusagen auf Außenkommando, in den sechsten Mond.« »Gewiß. Sprechen Sie weiter.«
»Das ist alles, Herr Professor.«
»Was ist zum Beispiel mit diesem Me? Der schwimmt da in
so einer Lake umher…« Er unterstrich seinen blöden Satz mit
einer Handbewegung.
Schwimmt in einer Lake umher – das sagt mir ein
Naturwissenschaftler! Ich werde ausführlicher erzählen
müssen, sonst erweitert er seine Diagnose auf Mutismus und
Negativismus. Wenn die Sache mit dem Sender nicht wäre,
könnte es ein herrlicher Spaß sein. Was doch so ein dreckiger
Taschendieb für Unheil anrichten kann… »Dieser Me, Herr
Professor, ist als Persönlichkeit uninteressant, er existiert als
juristische Person nicht mehr. Übriggeblieben ist von ihm nur
sein Denkapparat, sein Gehirn. Das schwimmt nun freilich
nicht in einer Lake umher, sondern wird durch Bioströme und
Nährflüssigkeit am Leben erhalten. Solange es mit der
erforderlichen Energie versorgt wird, funktioniert es. Es
arbeitet sogar besser, konzentrierter als vorher, weil der
Denkprozeß nicht mehr durch Emotionen beeinträchtigt wird.
Womit ich nicht sagen will, daß dies ein erstrebenswerter
Zustand sein könnte. Es ist Ihnen als Arzt und
Naturwissenschaftler sicher bekannt, daß Tierversuche auch
auf der Erde durchgeführt werden. Man hat schon Hekatomben
von Ochsen geopfert – mit mäßigem Erfolg. Gehirn ohne
Ochse ist noch ein Problem, Ochsen ohne Gehirn erhalten sich
dagegen ausgezeichnet…«
Grasmais verzog keine Miene. Schwester Hildegard hielt
jedes Wort auf ihrem Stenogrammblock fest. Ich wartete, bis
sie den letzten Satz notiert hatte, und fuhr dann fort: »Diese
fremde Intelligenz ist uns etwas voraus, sie hat das Problem
gelöst. Sind Sie nicht mit mir einig, Herr Professor, daß der
menschliche Körper eine reichlich verkorkste Konstruktion ist?
Ich bitte Sie, allein neun Meter Darm – was für eine
Verschwendung. Zweiunddreißig Zähne – und diese nur, um
ein Eisbein abknabbern zu können. Von den Zahnschmerzen
will ich gar nicht erst reden. Oder denken Sie an die zahllosen
Plattfüße, an die Gallensteine, den Blinddarm und andere
Zipperlein. Objektiv betrachtet, ist doch an uns im Grunde nur
unser Denkapparat interessant. Habe ich nicht recht?« »Gewiß«, sagte Grasmais nervös, »fahren Sie fort.« Er
beobachtete mich, als habe er ein Karnickel vor sich, dem man
etwas injiziert hatte.
»Ich finde, Luther hat völlig recht, wenn er den menschlichen
Körper einen faulen Madensack nennt, wenn ich auch andere
Schlußfolgerungen daraus ziehe.«
»Und was sind das für Schlußfolgerungen?«
»Daß unsere Unsterblichkeit in unserem Denken und dem
daraus folgerichtigen Handeln begründet liegt. Dieser Prozeß
vollzieht sich im ganzen Universum. Nehmen Sie zum Beispiel
den ›Großen Hund‹…«
»Sie meinen Waldi, den Dackel?«
»Nein, das ist nur ein kleiner Hund. Ich meinte das Sternbild.
Wir wissen, daß dort Planeten kreisen. Sind sie bewohnt? Wer
wagte zu sagen ›unmöglich‹.«
Der Professor rieb sich die Handflächen gegeneinander. Er
transpirierte. Kreislaufstörungen, konstatierte ich. Vermutlich
nimmt er regelmäßig

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