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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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Herzmittel und versucht damit die
Wirkung seiner Raucherei wieder aufzuheben.
Grasmais räusperte sich. »Gewiß, Herr Weyden, viele Rätsel
noch. Von Zeit zu Zeit darüber plaudern – warum nicht? Man
kann sich aber auch in etwas verrennen. Lassen wir jetzt
einmal diesen Gehirntrust beiseite. Wenn ich recht informiert
bin, war da so ein alter Mann…«
»Ja, Auls Vater.«
»Richtig. Zweieinhalbtausend Jahre alt, nicht wahr?« »Relativ«, erwiderte ich bedeutungsvoll.
»Aha, relativ. Einstein und so weiter.«
»Und so weiter.«
»Kennen wir auch die berühmte Formel?«
»E = m * c 2 .«
»Hm. Richtig. Wie weit ist es bis zum Jupiter?«
»Sendezeit vierzig Minuten.«
»Nennen Sie mir die Kilometerzahl.«
»Herr Professor, die Erde ist mal hier, mal dort, und der
Jupiter steht auch nicht still. Es mögen etwa
siebenhundertachtzig Millionen Kilometer sein.«
»Merkur?«
»Siebenundfünfzig Komma einundneunzig…«
»Woraus besteht ein Kohlenwasserstoffatom?«
Er hatte schon eine eigenwillige Methode, meinen
Intelligenzgrad zu prüfen. Fast war ich versucht zu sagen, es
besteht aus Vogelmist. Ein Kohlenwasserstoffatom – das
Gerede hatte mich ermüdet. Außerdem machte ich hier nicht
mein Physikum. Ich sagte: »Ich habe die chemischen
Verbindungen längst vergessen, Herr Professor, von mir aus
mag es aus Weißkäse bestehen. Geben Sie mir acht Tage Zeit
und ein entsprechendes Lehrbuch, dann halte ich Ihnen einen
Vortrag über den Aufbau der Elemente.«
Erwartungsvolle Stille trat ein. Der Professor flüsterte etwas
zur Schwester. Ich dachte: Jetzt hast du einen Fehler gemacht.
Gleich wird er sagen: Sie sind ein Simulant, ich werde Sie der Polizei übergeben, mag sie herausbekommen, wo Sie sich in
dem halben Jahr herumgetrieben haben…
Doch Grasmais hatte etwas ganz anderes im Sinn. Meine
Antworten waren ihm bis jetzt wohl zu einfach und wohl auch
zu logisch und gewitzt erschienen. Nun versuchte er es anders
herum. Freundlich lächelnd klopfte er mir mit seiner
Raucherhand auf die Schulter. »Ich bin sehr zufrieden, mein
Guter, ausgezeichnet. Wir sind wohl mathematisch begabt?« Ich verkniff mir ein Lächeln. Ausgerechnet ich mathematisch
begabt. Doch wenn er es wünschte – warum nicht?
»Mathematik ist für mich alles, Herr Professor. Wenn Sie es
befehlen, berechne ich Ihnen eine Mondfinsternis aus dem
Kopf.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte er, »machen wir
doch gleich mal eine Probe, wir sind ja ein heller Kopf, nicht
wahr?« Einige Sekunden blickte er mich prüfend an. Ich war
auf eine schwierige Formel gefaßt, doch er fragte
liebenswürdig: »Können wir denn auch berechnen, wieviel drei
mal vier ist?«
Diese saublöde Frage konsternierte mich derart, daß ich im
ersten Augenblick glaubte, hinter den Zahlen müsse sich etwas
besonders Schwieriges verbergen. Dann begann ich zu ahnen,
worauf der Schlaumeier hinauswollte. Er sagte sich vermutlich:
Patient verharrt hartnäckig bei der Behauptung, auf einem
Jupitermond gewesen zu sein; folglich muß er einen
erheblichen Knacks haben. Da er eine leidliche
Allgemeinbildung zu besitzen scheint, ist er durch Fragen aus
seinem Kenntnisbereich nicht zu erschüttern. Irgendwo aber
muß sich der Kreis schließen und sein Schwachsinn sich
offenbaren.
Ich sann nach einer Antwort, wollte sie mir auf der Zunge
zergehen lassen.
»Nun, wissen wir es nicht?« erkundigte er sich freundlich. »Ich habe es gleich heraus, Herr Professor«, antwortete ich.
Vielleicht wäre es besser gewesen, von Anfang an mit den
Augen zu rollen und mit dem Kopf zu wackeln, statt seine
Fragen zu beantworten. Für einen Psychiater bestand die
Menschheit ohnehin nur aus Patienten. Aber schließlich hatte
alles seine Grenzen. Wie kam er dazu, meine Schulter zu
tätscheln und mich mit diesem vertraulichen »Wir« anzureden?
Ich legte meine Stirn in Falten, zeigte, wie angestrengt ich
nachdachte.
»Schwierig, nicht wahr?«
»Herr Professor, von meinem. Gehirn sind sieben Zehntel
noch ungenutzt; wieviel drei mal vier ist, vermag ich daher
nicht zu sagen«, erklärte ich und fügte mit boshafter
Liebenswürdigkeit hinzu: »Mir ist jedoch mit Bestimmtheit
klargeworden, daß Sie ein freudscher Erztrottel sind.« Für einen Moment verdüsterte sich sein Blick, ich erwartete
eine zornige Bemerkung. Doch er faßte sich schnell, klopfte
mir leutselig auf die Schulter und meinte: »Ausgezeichnet,
ganz wunderbar.« Grasmais nickte seinen Kollegen zu, dann
sagte er etwas Lateinisches zur

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