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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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zu diesem Eichstätt’ gesprochen wie zu einem Beichtvater, ihm jedes Detail meines Erlebnisses geschildert. An irgendeiner Stelle hatte mich dann die Müdigkeit überrascht. Ich mußte vor ihm auf dem Stuhl eingeschlafen sein. Aul, Fritzchen, der entwendete Sender – das alles mußte wohl am Schluß während meines Hinüberdämmerns durcheinandergeraten sein.
    Mein Aufenthaltsort bereitete mir nicht soviel Kopfzerbrechen. Ich hatte Eichstätt überschätzt, aber es war immer noch besser, im Krankenhaus zu liegen, als unter einem anderen Verdacht zu stehen. Hier konnte ich mich zu jeder Zeit absetzen. Weitaus mehr beschäftigte mich die Frage, ob der Fachmann von der Kriminalpolizei meinen Hinweisen nachgegangen war. Da er mich hatte hierherbringen lassen, war kaum anzunehmen, daß er sich um den Diebstahl kümmerte. Also mußte ich die Sache selber in die Hand nehmen. Nach der Visite des Professors wollte ich mich unauffällig entfernen und selber nach dem vermißten Sender suchen.
    Ich drehte den Wasserhahn auf, putzte mir die Zähne und erfrischte mich. Hunger stellte sich ein. Immer wenn das Konzentrat nicht mehr wirkte, überfiel mich der Heißhunger wie ein Fieberschauer. Irgendwo mußte sich in diesem Krankenhaus eine Küche befinden. Ich wollte nicht so lange auf das Frühstück warten, ging zur Tür. In diesem Augenblick öffnete sie sich. Mehrere freundlich und neugierig blickende Herren traten ein.
    Alle trugen weiße Kittel, in ihrem Gefolge befand sich auch die mir schon bekannte Schwester Hildegard, leider ohne Frühstückstablett. Der Professor ragte unverkennbar aus dieser Gruppe heraus. Er sah gerade so aus, wie man sich einen Professor vorstellt, ein gescheites Gesicht mit einer Hornbrille, leicht ergrautes Haar. Er war mittelgroß, um die Fünfzig herum.
    Er begrüßte mich auch als einziger und dies mit einem Pathos, als träfe er seinen besten Freund nach langer Trennung wieder. »Guten Tag, mein lieber Herr Weyden, ich bin Professor Grasmais. Wie ich sehe, haben wir endlich ausgeschlafen. Wie geht es uns? Haben wir keine Kopfschmerzen?«
    Ich schüttelte die dargebotene Rechte. »Es geht uns gut, Herr Professor«, antwortete ich, »wir haben ausgeschlafen. Kopfschmerzen haben wir keine, nur mächtigen Hunger.«
    »Das höre ich gern«, sagte er und forderte mich auf, auf dem Bett Platz zu nehmen. Er selbst rückte sich einen Stuhl zurecht, und auch die Schwester nahm sich eine Sitzgelegenheit. Sie hielt einen Stenogrammblock bereit. Die Szene erinnerte mich an meine Operation auf dem sechsten Mond. Es fehlte nur noch das Palaver. Überzeugt, daß mein Aufenthalt hier nicht von langer Dauer sein würde, sah ich der Untersuchung mit Gelassenheit entgegen.
    »Ich nehme an, Sie wissen, wo Sie sich befinden, Herr
    Weyden«, begann der Professor.
»Wenn mich nicht alles täuscht, in einem Krankenhaus.
Warum ich hier bin, das vermag ich allerdings nicht zu sagen.
Ich habe meine Einwilligung nicht dazu gegeben.«
»Ihre Gattin war so freundlich, und auch Herr Eichstätt hielt
es für besser, Sie der ärztlichen Obhut zu übergeben«, klärte
mich der Professor auf und fügte beschwichtigend hinzu: »Ich
halte diese Symptome für keineswegs gefährlich oder
unheilbar. Eine Überreizung gewisser zerebraler Partien kann
zwar zu vorübergehenden Funktionsstörungen führen, aber das
kriegen wir wieder hin. Ich wünsche nur eines: Seien Sie ganz
offen zu mir, haben Sie Vertrauen, Sie sind hier in den besten
Händen…«
Kaum ausgesprochen, schlug er mir unversehens mit der
Handkante gegen das Knie. Mein Fuß schnellte hoch, schlug
gegen den Stuhl, auf dem Schwester Hildegard daß. »Au!«
schrie ich. »Muß das sein?«
»Reflexe lebhaft«, stellte er sachlich fest. »Wir fühlen uns
doch nicht verfolgt oder bedroht?« Seine Frage war mehr eine
Feststellung.
, Höchstens von Ihnen, war ich versucht zu antworten. So also
sieht das aus. Johanna und auch dieser Eichstätt hielten mich
für geistesgestört. Dabei brauchte der miserable. Sherlock
Holmes nichts weiter zu tun, als meine Angaben zu überprüfen.
Statt dessen hatte er wahrscheinlich die Vernehmung und
meine anschließende Geschichte auf Tonband aufgenommen
und das Band dem Professor als Beweis übergeben. Wieder
einmal war ich durch unbedachte Handlungsweise in eine
unangenehme Lage geraten. Und mein Einzelzimmer – was
mochte es pro Tag kosten? Natürlich steckte Johanna dahinter,
sie hatte unser ohnehin schon mageres Bankkonto für

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