Zeit der Sternschnuppen
meine
Bequemlichkeit belastet.
»Ihr Fall interessiert mich außerordentlich«, unterbrach der
Professor meine Überlegungen. »Nun ja, es liegt ja
gewissermaßen im Zuge der Zeit: Raumstation, Mond,
Kosmos. – Sie besitzen ein Fernrohr?«
Das weißt du doch längst, dachte ich und bereitete mich auf
seine Taktik vor. Er wird sich langsam in das Dickicht meiner
Psyche vortasten, dann wird er fragen, ob ich auch manchmal
den Jupiter beobachte. Vielleicht erkundigt er sich auch nach
meinen Träumen. Ich muß aufpassen, der Professor hat sich
wahrscheinlich schon eine Meinung gebildet, jetzt möchte er
sie durch sein Fragespiel bestätigt wissen. Ich sagte: »Der eine
sammelt Briefmarken, der andere Bierdeckel. Ich besitze ein
Fernrohr als Hobby.«
»Ein interessantes Hobby«, bestätigte er, »es sprengt
gewissermaßen die Enge unseres Daseins, weitet den Blick –
habe ich recht?«
Das ist zwar richtig, aber du interessierst dich doch kein Jota
für Astronomie. »Sie haben recht, Herr Professor.«
»Gucken Sie eigentlich jede Nacht durch Ihr Fernrohr?« »Nein.«
Sein Gesicht zeigte einen Schatten des Unmuts. »Aber sehr
oft, nicht wahr?«
Wenn ich jetzt noch einmal nein sage, wird er böse, dachte
ich, es würde seine Theorie durcheinanderbringen. »Wenn es
das Wetter zuläßt und ich Zeit habe, schaue ich mir den
Himmel an. Es hängt viel von der Wetterbeschaffenheit ab.« Ein freundliches Lächeln belohnte mich. »Gewiß, der
Himmel muß klar sein.«
Arme Aul, du sitzt jetzt da oben, rufst und wartest vergeblich.
Es ist nicht meine Schuld. Wie habe ich mich auf diese acht
Tage gefreut. Ich wollte mich noch einmal an allem satt sehen,
wollte ins Konzert gehen und ein paar Tage die Waldluft von
Manik Maya atmen. Jetzt atme ich den Karbolgeruch einer
Nervenklinik, muß mir das Geschwätz von einem Professor
anhören. Nun frage schon endlich nach dem Jupiter, Professor,
frage mich, was ich mir dabei denke, wie viele Monde er hat
und ob man auch den sechsten Mond sehen kann…
»Ein Kollege von uns betreibt dieses schöne Hobby ebenfalls.
Er meint, am lohnendsten wären die Planeten. Mars, Pluto,
Neptun und so weiter…«
Dein Kollege scheint eine Supersternwarte zu besitzen, wenn
er sogar den Pluto sehen kann. Immerhin, über diese Brücke
geht es auch, wir kommen uns näher. Wie geht es nun weiter,
Professor? Ich könnte mich dumm stellen, aber das zöge die
Prozedur unnütz in die Länge. Ich bin des trockenen Tons nun
satt, außerdem habe ich einen Mordshunger. Greifen wir ihm
also etwas unter die Arme… »Ihr Kollege hat recht, Herr
Professor, die Planeten sind uns nahe, besonders Jupiter mit
seinen vielen Monden. Aber auch die fernen Galaxien sind
interessant. Zum Beispiel M 33 im Sternbild des Dreieck. Es
wäre doch denkbar…« Ich machte eine Pause, sah seinen
ermunternden Blick.
»Sprechen Sie weiter, Herr Weyden, was wäre denkbar?« »…daß dort ebenfalls intelligente Wesen beheimatet sind.« Nun war es heraus. Seine Augen leuchteten dankbar auf. Er
wandte flüchtig den Kopf, sah auf seine Kollegen, als wollte er
sagen: Nun, meine Herren, was habe ich Ihnen gesagt?
Halluzinationen mit vorangegangener leichter Katatonie… Ich bemerkte, daß seine Fingerspitzen an der rechten Hand
gelb waren. Tendenz zur Neuropathie, diagnostizierte ich,
übersteigertes Selbstbewußtsein durch zeitweiliges Blockieren
bestimmter Nervenpartien. Wieviel wird er pro Tag paffen?
Für den bleibst du Patient, selbst wenn ich meine Reise zum
sechsten Mond und zur »Quil« als einen Silvesterscherz zu
erkennen gäbe. Was für ein Temperament mag er sein?
Vermutlich eine Mischung zwischen Sanguiniker und
Choleriker… Meine Äußerung veranlaßte den Professor zu
einem großen Gedankensprung. Er ging zum Frontalangriff
über. »Kommen wir auf Ihr Erlebnis zurück, Sie wissen, was
ich meine. Was halten Sie selbst von Ihrer Geschichte?« »Von welcher Geschichte?«
»Nun, von diesem Jupitermond und dem Raumschiff? Oder
haben Sie am Ende alles nur geträumt?«
Immer den Patienten reden lassen, ihm Brücken bauen,
dachte ich… Passen Sie auf, meine Herren Kollegen, wir haben
uns zum Zentrum vorgearbeitet, achten Sie auf jedes seiner
Worte, beobachten Sie seine Augen, registrieren Sie seine
Diktion, und merken Sie sich vor allem die zunehmende
Erregung. Jupitermond und Raumschiff, das sind die
Katalysatoren. – Halt, was war das? Woher kam das
Brummen? Aha, Patient reibt sich den Bauch, hat Hunger,
Magen knurrte…
Gut, Professor,
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