Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
Vom Netzwerk:
Zukunft nicht nach einem Kalenderblatt dargestellt wird. Sie ist von der Vergangenheit „nicht zu trennen; jede Generation gibt ihre Erfahrung weiter. So jedenfalls stelle ich mir das vor, und hier hast du es angedeutet.«
    Ihr bescheidenes Lob tat mir gut. »So ähnlich hatte ich es mir vorgestellt, aber es ist merkwürdig, wenn man sich mit einem solchen Thema auseinandersetzen muß, merkt man erst, was man alles nicht weiß. Wie oft schwafelt man von Kybernetik, Kernfusion und anderen Dingen. Überprüft man dann seine Kenntnisse kritisch, so stellt sich heraus, daß man nur eine nebelhafte Vorstellung von allem besitzt. Mit ist es jedenfalls in den letzten Tagen so ergangen. Es führte so weit, daß ich mich sogar in eine irrsinnige Idee verrannte. Raumfahrer…«
    Regina quittierte meine Selbstkritik mit der tröstenden Bemerkung, daß die Erkenntnis der eigenen Unwissenheit der erste Schritt zum Wissen sei. »Schade, daß man nicht hundertfünfzig oder zweihundert Jahre alt werden kann«, meinte sie bedauernd, »ich würde die Welt von morgen gern erleben.«
    »Vielleicht wirst du so alt«, bemerkte ich ernsthaft, »die Biochemiker arbeiten schon an Präparaten für die Zellerneuerung und die Regeneration durch Nukleinsäuren…« Ich unterbrach meinen Gedankenfluß, ergänzte sarkastisch: »Schon wieder geistige Höhenflüge ins Niemandsland. Wollen wir tanzen?«
    Sie nickte, schaltete das Radio ein und fand eine Musik, die meiner unrhythmischen Veranlagung entgegenkam.
Von draußen drang Heins beschwörende Stimme zu uns herein: »… Und das ist nachweisbar. Ich zitiere: ›Und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Mitternacht, und darin war es hell wie von einer Wolke voll Feuer…‹«
Regina bewegte sich leichtfüßig nach dem Takt der Musik. Ich dachte: Du hättest sie besser nicht zum Tanzen auffordern sollen. Sie mußte von mir wohl den Eindruck eines hüpfenden Besenstiels bekommen haben, denn nach der ersten Musikpause ging sie ans Fenster und beobachtete die scheinbar unverwüstlichen Zecher. »Sieh dir nur unsern Theo an«, sagte sie besorgt, »er versucht tatsächlich, auf die Robinie zu kommen. So ein Leichtsinn. Er ist doch angetrunken und kann runterfallen.«
»In diesem Zustand nicht«, sagte ich. »Im Gegenteil, bei dieser Kletterei erwacht der Stammvater des Menschen in ihm, und der konnte sich vermutlich sehr elegant auf Bäumen bewegen.«
»Sehen wir uns das Schauspiel an. Hein wird ja hoffentlich mit seiner wissenschaftlichen Langeweile bald am Ende sein. Hast du zufällig eine Ahnung, wie spät es ist?«
Instinktiv sah ich auf mein Handgelenk, wurde mit einem Male wieder an etwas erinnert, was ich mit aller Willenskraft vergessen oder ins Reich der Phantasie verbannen wollte: meine Armbanduhr! Hatte ich sie wirklich verloren? Oder… Ich wagte nicht weiterzudenken. »Ich habe meine Uhr neulich verloren, Regina. Es wird auf Mitternacht zugehen.«
Ihre Frage nach der Uhrzeit brachte mich durcheinander. Ich hatte Verlangen nach einem Kognak.

5
    Bis auf Theo hatten sie es sich alle um den Bratrost bequem gemacht. Erhard schleppte immer wieder neues Holz heran. Die Flammen erhellten die Umgebung; sogar Theos Schatten war zu erkennen. Ächzend und Verwünschungen von sich gebend, verwirklichte er seine verrückte Absicht, hatte die Robinie schon halb bezwungen.
    Unterdessen dozierte Hein: »Nun denkt doch mal nach, Leute, es muß doch auffallen, daß sich in den Überlieferungen der alten Völker die Beschreibung der Götter ähnelt. Und zwar unabhängig von den unterschiedlichen Religionsauffassungen. Immer kamen die Götter mit Donnergetöse vom Himmel herunter. Was ergibt sich daraus? Wer nähert sich denn der Erde mit Donnergetöse? Nur Raumfahrer kommen dafür in Frage. Ergo: Die Erde hatte bereits Besuch aus dem All.« Ob er nur spaßte oder seine Ansichten dem Alkoholgenuß zuzuschreiben waren, ließ sich nicht heraushören. Mich interessierten seine Ausführungen auch nicht. Ich dachte an meine Uhr. Während Hein unermüdlich Sumerer, Inkas, Ägypter, alte und neuzeitliche Phantasten heraufbeschwor, um seine Theorie zu beweisen, entfernte sich Regina plötzlich in Richtung des nahen Waldes.
    »Wo willst du hin, Regina?« rief ich beunruhigt. »Du wirst dich verlaufen!«
Sie war in der Dunkelheit untergetaucht. Wir hörten nur noch ihr Kichern und das Knacken des Unterholzes. Erhard meinte gähnend: »Sie hat wahrscheinlich ein Stelldichein mit einem Kollegen vom

Weitere Kostenlose Bücher