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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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mit den Mädchen um den Bratrost. In der Dunkelheit, nur vom Feuer beleuchtet, sah es aus wie ein Geisterspuk.
Mehr oder weniger waren wir alle aus unserer Haut geschlüpft. Erhard hatte die Reste eines alten Bretterzaunes in die Glut gelegt, Flammen züngelten auf, Funken schwebten wie Glühwürmchen durch die Gegend. Es wurde so warm, daß wir ein Stück vom Feuer wegrücken mußten.
    Mich hatte das Essen etwas ernüchtert, ich glaubte klarer zu denken als die andern. Leicht schwankend, jedoch fest entschlossen, den Rausch zu überwinden, ging ich in die Küche, um Wasser zu trinken. Das klare Quellwasser aus der Pumpe war erfrischend wie Nektar. Durch das Küchenfenster beobachtete ich die Wiese. Die Scheinwerfer der Traktoren hüpften auf und nieder. Es hat wohl alles so kommen müssen, ging es mir traurig durch den Kopf, das Leben geht weiter, als wäre nichts geschehen. Ist eigentlich etwas geschehen?
    Der immer wiederkehrende Spott, den ich erntete, begann sich auszuwirken. Ich wurde schwankend, Zweifel nagte in mir. War es nicht schon vorgekommen, daß Wunschdenken zur fixen Idee wurde? Konnte es nicht sein, daß die andern, die Zweifler und Spötter, recht hatten, daß alles nur ein Phantasieprodukt war, hervorgerufen durch mein ewiges Grübeln und durch die Plakatentwürfe für die Ausstellung? Schließlich war auch mein Nachbar überzeugt gewesen, ein Zelt auf der Wiese gesehen zu haben. Trotzdem hatte er später seine Beobachtung angezweifelt.
    »Welt von morgen« – je mehr ich Ursache und Wirkung miteinander verglich, desto unsicherer wurde ich. Ein Produkt der Phantasie; man redet sich so lange etwas ein, bis man Wunsch und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderzuhalten vermag.
    Einen Augenblick lang erwog ich ernsthaft, einen Arzt zu Rate zu ziehen. Ich war entschlossen, alles Vergangene abzuschütteln, und verspürte sogar eine gewisse Erleichterung bei dem Gedanken, das Opfer einer Sinnestäuschung gewesen zu sein. Es war eine einfache Anpassung an den Willen und die Meinung der Mehrheit – bestand nicht das ganze Leben aus Anpassung? Einen Wahn verlieren macht manchmal weiser als eine Wahrheit finden…
    Sie haben recht, dich für einen Geschichtenerzähler zu halten, sagte ich zu mir selbst, du hast dir alles fein ausgedacht. Fein ausgedacht… Ich wiederholte den Satz und lächelte zufrieden vor mich hin. Nun durfte ich sogar etwas hinzudichten und auf wohlgemeinte Ratschläge hören. »Frau Luna auf modern« – warum nicht? In Gedanken fand ich neue Einzelheiten, feilte daran.
    Meine Meditationen wurden durch Regina unterbrochen, die, ebenfalls nach Wasser dürstend, in die Küche kam. »Hier steckt also unser Raumfahrer. Sei so lieb, Franziskus, und bediene die Pumpe.«
    Ich füllte ihr das Glas. »Weißt du, Regina, vorhin hast du etwas sehr Vernünftiges gesagt, ich meine deine Bemerkung auf meine Spinnereien. Mein Plakat und die Beziehung zu heute. Genau das ist es. Wir müssen mit den Problemen unserer Gegenwart fertig werden, wenn wir die Welt von morgen erleben wollen. Was ich da erzählt habe, war natürlich eine erfundene Geschichte – du hast es sicher sofort gemerkt…«
    Sie trank bedächtig das Glas leer, spülte es aus und meinte dann nachdenklich: »Ob ausgedacht oder wahr – mitunter sind Geschichten so schön, daß man den Unterschied nicht mehr merkt. Es kommt gar nicht darauf an, ob sie ausgedacht sind. Auf jeden Fall hast du mit deiner Geschichte die Geister angeregt. Sie hocken am Fegefeuer und hören sich von Hein einen Vortrag über prähistorische Raumfahrer an.«
    »Ausgerechnet Hein«, murmelte ich. »Warum hörst du nicht zu? Dir scheint die Walpurgisnacht nicht besonders zu gefallen.«
    »Nein«, bekannte sie, »ich bin nicht humorlos, aber nur Blödeln ist auf die Dauer langweilig. Ich würde mir gern deine Plakatentwürfe ansehen – oder sind sie geheim?«
    »Es sind erste Entwürfe, Regina.« Ich zeigte nicht gern Unfertiges, ging aber dennoch ins Arbeitszimmer und gab ihr den Skizzenblock.
    Sie studierte die Zeichnungen, meinte dann zu einem Entwurf, der mir am wenigsten gefiel: »Das gefällt mir am besten.«
    »Warum? Es ist doch noch eine ganz unausgegorene Idee.«
    Sie sagte: »Auf allen anderen Skizzen hast du dich immer nur von dem Titel leiten lassen: Welt von morgen. Der Betrachter sieht nur, was sein könnte oder sein wird. Hier dagegen hast du versucht, eine Entwicklung anzudeuten. Ich verstehe nicht viel von Graphik, ich finde es nur besser, wenn die

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