Zeit der Sternschnuppen
räumen zu wollen, bis die letzte Flasche getrunken sei. Wir stießen an, tranken zum vierten Male Brüderschaft. Unsere Unterhaltung gluckerte wie ein trüber Fluß dahin. Endlich kroch auch Theo aufs Sofa; nur für zehn Minuten, versicherte er. Ich mußte einen Eid schwören, ihn nach zehn Minuten zu wecken. Er schlief augenblicklich ein und schnarchte so geräuschvoll, daß ich in die Küche flüchtete.
Hier sah es aus, als wäre eine Schlacht geschlagen worden. Teller, Tassen und Töpfe, Brotscheiben und verstreute Gewürze – ein Chaos. Mir graute vor dem Abwasch; ich würde versuchen, die beiden Mädchen am andern Tag einzuspannen. Draußen nieselte es noch immer. Durch das Küchenfenster betrachtete ich die dampfende Wiese – die Traktoristen hatten bei dem einsetzenden Wolkenbruch die Flucht ergriffen, gerade so, wie ich es mir gewünscht hatte.
Weit hinten schimmerte etwas Helles. Ich holte den Feldstecher, öffnete das Fenster, dachte: Der verdammte Alkohol, das übermäßige Trinken bringt nichts ein. Ich schraubte verzweifelt am Okular des Feldstechers, legte ihn schließlich weg und hielt den Kopf unter die Pumpe.
Das eisige Wasser ernüchterte mich. Abermals betrachtete ich den Lichtschimmer auf der Wiese. Im Feldstecher zeichneten sich die Umrisse eines runden, glänzenden Metallkörpers ab. Mildes, grünschimmerndes Licht erhellte die Treppe, tapsig bewegten sich vor dem Flugkörper zwei kleine Gestalten.
Mich traf das Bild wie ein Elektroschock, ich glaubte einen Schlag zu verspüren, der mir das Herz sprengte. Das Bild war so eindeutig und mir so sehr vertraut, daß jeder Zweifel ausgeschlossen war. Eine dritte Gestalt kletterte die Stufen herab.
Ich rannte in die Stube, rüttelte den schnarchenden Theo, schrie ihn an. Er richtete sich schlaftrunken auf, blickte mit glasigen Augen auf mich. »Theo, sie sind da!« rief ich. »Hörst du, sie sind angekommen, ich hatte euch die Wahrheit gesagt! Zum Donnerwetter, werde endlich wach!« Ich zog ihn hoch.
»Was ist los?« erkundigte er sich und setzte sich wieder hin. »Sie sind gekommen, Theo, die Leute vom andern Stern sind da…« Ich redete mit feierlicher Stimme und tiefem Ernst. »Komm mit in die Küche, überzeuge dich…«
Er murmelte was von »Buckel runterrutschen«, schloß die Augen und ließ sich wie ein Stein aufs Bett fallen. Es war nicht möglich, ihn wach zu bekommen.
Erst jetzt, da ich mich vergebens bemühte, Theo in die Küche zu bringen, begriff ich, daß ihr Besuch mir galt. Diese Erkenntnis ernüchterte mich vollends. Benommen überlegte ich, was zu tun sei. Ich war auf nichts vorbereitet, hatte das Haus voller Gäste. Die Furcht, sie könnten wieder auf steigen, wenn ich mich nicht bald zeigte, machte mich konfus. Ich werde zu ihnen gehen, jetzt gleich… Aber was mitnehmen? Irgendwas mußt du mitnehmen…
Ich rannte in die Küche. Sie standen noch immer auf der Wiese. Hastig trank ich ein paar Schluck Wasser. Es war keine Zeit mehr, Vorbereitungen zu treffen; ich war auch viel zu aufgeregt und verwirrt, dachte seltsamerweise nur: Diese Gelegenheit kehrt niemals wieder – zweimal fängt man keinen Hasen.
Ich ging hinaus, so wie ich war, steckte nichts ein und blickte mich nicht einmal um. Ein beglückendes Gefühl erfüllte mich, als ich über die regennasse Wiese ging und die frische, reine Luft atmete. Wie eine zarte Wolke lag der Lichtschimmer auf der Wiese. Ich hatte in diesen Minuten das Empfinden, als entfernte ich mich mit jedem Schritt von einer schrecklichen Vergangenheit und ginge einer fernen Zukunft entgegen. Jahrhunderte schienen auf diesen einen Punkt zusammenzuschrumpfen, auf den ich mit klopfendem Herzen zueilte.
2. Teil
Nordwestlich Jupiter
»Die Natur zeugt hunderttausend Samenkörner, damit eines die Chance hat, fortzudauern und neues Leben zu gebären. Sie schuf Myriaden Sonnen, um die, nach den Gesetzen des Zufalls, ungezählte, lebensträchtige Planeten kreisen. Doch nur dort, wo die Vernunft über den Instinkt, siegt, wird sich das Leben unendlich weiterentwickeln…«
Me , Kommandant der »Quil«
6
Das grüne Licht – sie hatten an alles gedacht, wußten, daß ich bei diesem Wetter schlecht sehen konnte. Wie ein Nebelfleck im Fernrohr schwebte es über der Wiese. Keine Räder und Flügel und auch kein Donnern und Beben, wie es Hein ausgemalt hatte. Wie Libellen waren sie heruntergekommen…
Fünfzig Meter vor ihnen blieb ich stehen, winkte. Die Umrisse des Diskus waren nun deutlich zu sehen.
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