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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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nicht zu, war sogar abwesend, als ich mit ihm anstieß. Über Afrika – der Alkoholgenuß machte mir zu schaffen. Ich flüsterte: »Theo, könntest du dir vorstellen, daß sie eines Tages hier auf der Wiese landen?«
»Wer?« fragte er.
»Die Fremden, die man über Afrika beobachtet hat…«
»Klar, Hans, ganz bestimmt landen sie hier auf der Wiese«, antwortete er grienend. »Und jetzt komm mit ‘raus, ich will ein paar Fotos schießen.« Er zog mich hinaus.
Auf dem Grill brutzelte das Ferkel. Der Bart machte Glubschaugen, buhlte um die Gunst der kleinen Apothekerin, der er schon seit längerer Zeit den Hof machte. Jetzt nannte er sie bereits Mümmelchen. Im Dunstkreis des Bratenduftes lauerte Theos Dackel. Erhard drehte den Braten, stocherte in der Holzkohle, Hein dozierte über den Inhalt seines Filmes; im Radio sprach eine dünne, gewichtige Stimme über die Kultur der Inkas.
Regina, das andere Mädchen, flachsblond, gesellte sich zu mir, bot mir mit verklärten Augen das Du an. Sie studierte Literatur, behauptete, leicht beschwipst, in mir eine Romanfigur von Victor Hugo wiederzuerkennen. Ich konnte nicht herausbekommen, ob es eine Schmeichelei sein sollte. Es war auch nicht wichtig, alles war unwichtig geworden. Meine guten Vorsätze waren endgültig dahin, alle finsteren Gedanken brachen sich im Inhalt der Schnapsgläser wie Lichtstrahlen. Ihre Strenge und Tiefe hatten einen bunten Farbenkranz erhalten.
Theo holte seine Kamera, legte sich auf den Bauch und auf den Rücken, verrenkte den Kopf, um ein paar Aufnahmen zu machen. Es war ein Schauspiel für sich.
Die glühende Holzkohle verbreitete eine behagliche Wärme und hielt die Mücken in respektvoller Entfernung. War ich nicht der Beneidenswerteste unter diesen Zechern? Freunde auf der Erde und Freunde im All. Der Bart und Mümmelchen, die sich ungeniert küßten, und Theos Blitzlichter regten mich zu verrückten Überlegungen an. Ich dachte darüber nach, wie sich meine Freunde vom andern Stern wohl vermehren mochten und wie alt sie sein konnten. Tausend Jahre? Zehntausend? Regina erkundigte sich, weshalb ich so ernst und nachdenklich sei. In der Ahnungslosigkeit meiner schwatzhaften Gäste lag etwas Verlockendes für mich. In mir erwachte der Wunsch, mich mitzuteilen, endlich einmal das drückende Geheimnis loszuwerden. Meine Zunge war locker geworden. »Ihr Arglosen, ihr Unwissenden«, murmelte ich, »wenn einer von euch ahnte, was ich weiß…«
»Erzähle«, forderte mich Regina auf. »Sprich dich aus, Sterngucker, was weißt du?«
Der Wind wehte uns ein schwaches Donnern zu. Wolken überzogen den Himmel, verschluckten das Sternenlicht. Wenn es zu regnen anfinge, würden die Traktoristen die Wiese verlassen. In meiner animierten Verfassung erwog ich ernsthaft die Möglichkeit, sie könnten noch in dieser Nacht landen. »Es wäre nicht ausgeschlossen, daß wir heute noch Besuch bekommen«, verkündete ich. »Es braucht nur etwas zu regnen…«
»Um Himmels willen, er hat die LPG eingeladen!« rief der Bart entsetzt. »Versteckt die Flaschen! Wie weit ist der Braten?«
Theo und Erhard untersuchten das Spanferkel. Es war noch nicht ganz gar, aber angesichts der drohenden Gefahr waren sie bereit, das Fleisch auch in halbrohem Zustand zu verzehren.
Ich beruhigte sie. »Wenn sie wirklich kämen, würden sie weder Speise noch Trank annehmen.«
»Dann sind sie herzlich eingeladen«, versicherte Hein, »solche Gäste sind immer willkommen.«
Sie wollten Näheres wissen, meine geheimnisvollen Andeutungen hatten ihre Neugier erweckt. Regina hockte sich neben mich, gurrte: »Erzähle, Hänschen klein, erwartest du etwa Damenbesuch?«
Ich freute mich schon darauf, ihre dummen Gesichter zu studieren. »Ihr werdet mir nicht glauben«, sagte ich, »aber jedes Wort, was ich sage, ist wahr und unwandelbar wie der ewige Lauf der Gestirne…«
»Wenn deine Geschichte gut ist, werde ich dich Franziskus nennen«, erklärte Regina, »ich finde, Franziskus paßt zu dir…«
Ich trank einen Schluck, wartete, bis sie still waren, und erzählte mein Erlebnis, das Abenteuer meines Lebens. Ich war glücklich, mir alles von der Seele reden zu können. Jedes Detail schilderte ich, mein erstes Stolpern auf der Wiese, die Beobachtung meines Nachbarn, den geheimnisvollen Fund und schließlich ihre zweite Landung, unsere merkwürdige Unterhaltung. Mich störte in diesen Minuten nicht einmal Erhards unverschämtes Grinsen, als ich die Begegnung schilderte. Es war mir gleichgültig, ob

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