Zeit der Sternschnuppen
Aldebaran.«
Unterdessen hatte Theo sein Ziel erreicht, saß auf einem Ast in der Baumkrone und schrie: »Leute, ich melde: Keine fliegenden Untertassen zu sehen! Nur gewaltige Blitze im Norden. Die Sintflut nähert sich.« Ein anhaltendes Gewittergrollen ließ ihn verstummen.
Ich fühlte mich für Reginas Leichtsinn verantwortlich, wäre ihr am liebsten nachgelaufen. Erhard legte neues Holz nach. Die Funken irrlichterten in den Nachthimmel.
»Ich finde, Hein hat gar nicht so unrecht«, meinte Mümmelchen ernsthaft, »es wäre doch denkbar, daß wir alle von anderen Sternen stammen. Und nicht nur wir Menschen. Warum zum Beispiel heulen die Hunde, wenn der Mond scheint? Vielleicht erinnern sie sich in solchen Nächten an ihre Urheimat?« Sie ahmte das Klagegeheul eines Hundes so echt nach, daß Waldi davon angesteckt wurde und ebenfalls zu jaulen anfing. Hein ließ sich nicht beirren. »Einmal wird unsere Sonne alles organische Leben in unserm Sonnensystem auslöschen«, orakelte er weiter. Dann beschrieb er Höhlenzeichnungen, die angeblich von Raumfahrern aus fernen Welten stammen sollten, und verstieg sich schließlich zu der Behauptung, die Menschheit würde in ferner Zukunft das Universum erobern.
Der Bart stellte sich für diese Reise als Koch zur Verfügung, vom Baum höhnte Theo: »Das Weltall erobern, darunter macht er’s nicht. Kaum hat jemand die kleine Zehe ins Wasser gesteckt, will er auch schon den Ozean durchschwimmen…«
Wenn Regina bis zur Kiefernschonung kam, konnte sie unser Feuer nicht mehr sehen. Es wäre ein Zufall, wenn sie zurückfinden würde. Ich schwankte, wollte sie suchen, aber in dieser Finsternis hätte ich mich selber verlaufen.
Der Bart bemühte sich, Heins Redeschwall zu unterbrechen, erkundigte sich, ob jemand das Spiel von Jena verfolgt habe. Seine Frage blieb ohne Antwort.
»Es gibt kein Stehenbleiben für die Menschheit!« rief Hein emphatisch. »Einmal wird der Mensch das All als seine Heimat empfinden. Er wird es durchstreifen, so, wie wir heute die Ozeane mühelos überqueren…«
»Ganz bestimmt«, bemerkte Erhard sarkastisch, »wenn nur vorher nicht ein Verrückter auf den Knopf drückt und die Erde in eine strahlende Wüste verwandelt. Im Moment bewegt sich die Menschheit jedenfalls hart an einem Abgrund vorbei. Ein falscher Schritt, und die Hölle nimmt uns in Empfang.«
»Kruzitürken, hört jetzt endlich mit diesem Gerede auf!« schrie ich. »Singt meinetwegen oder betrinkt euch. Ich will nichts mehr hören von Sternen und Raumfahrern und Höllenschlünden…«
Meine letzten Worte wurden von Donnergrollen übertönt. Am Himmel zuckten Blitze, ein heftiger Windstoß blies den Rauch zur Robinie. Wir hörten Theo husten und jammern, dann seine krächzende Stimme: »Ich muß hier ‘runter, gleich schlägt der Blitz ein. Aber das eine sei mir noch zu sagen erlaubt: Hein, du spinnst! Eroberung des Alls – hast du überhaupt eine Vorstellung von den Ausdehnungen des Weltalls? Stellt euch einen Wassertropfen vor, darin einige Millionen Mikroben. Das ist unsere Milchstraße. Und dieser Wassertropfen treibt im Ozean, im Universum. Viel Vergnügen bei der Eroberung des Alls.«
Hein wollte etwas erwidern, als aus dem Wald eine kreischende Stimme zu uns drang. Mich überlief es kalt, es war Reginas Stimme. Ein Fuchs wird hinter ihr her sein, durchzuckte es mich, tollwütige Füchse suchen die Nähe des Menschen. Erschrocken starrten wir auf die Silhouette des Waldes.
»Die Weltraumfahrer kommen«, witzelte der Bart, »ich wette, sie kommen direkt vom Polarstern.«
Vom Baum rief Theo: »Hierher, Reginchen, ahoi, hierher!« Ein Schatten rannte auf uns zu, als würde er von Furien verfolgt. Ich klappte mein Taschenmesser auf, darauf vorbereitet, einen Angriff abzuwehren. Mir fiel ein, daß es in dieser Gegend auch Wildschweine gab. Erhard warf hastig Reisig ins Feuer. Die aufzüngelnden Flammen hätten ein Rudel Wölfe verscheucht. Regina rannte und kreischte jedoch aus einem ganz anderen Grunde. Sie hielt etwas Zappelndes in den Armen. Zuerst glaubte ich, es wäre der Dackel, dann entnahmen wir ihrem Schreien, daß sie einen lebendigen Hasen trug. Unbegreifliches Geschehen. Regina war, wie sie uns atemlos berichtete, in der Dunkelheit beinahe über das Tier gestolpert. Das Blitzen und Donnern mußte dem Langohr in die Glieder gefahren sein. Sie hatte ihn einfach am Fell gepackt und nicht mehr losgelassen. Ihre Arme waren zerkratzt.
Der Bart rannte in die Küche, um ein Messer zu
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