Zeit der Sternschnuppen
minutiöser Genauigkeit. Ich entwarf Skizzen, zeichnete Aul, den Vater und Fritzchen, hielt die Erde und die Sternbilder fest und bannte, wenn es die Stellung des Mondes erlaubte, sogar die »Quil« und den Jupiter in Farbe auf die Folien.
Am Nachmittag vervollkommnete ich mich in der Töpferkunst. Ich hatte eine Verbesserung eingeführt. Wir holten uns von der »Abfallhalde« an der Einflugschleuse Gold und Edelsteine, ließen das Metall nach unseren Angaben von den Handwerkern formen und drückten dann das Material zu kunstvollen Reliefbildern in die noch nicht gebrannten Krüge oder Vasen. So entstanden Kunstwerke von unabschätzbarem Wert. Bald hatten wir so viele Töpfe und Vasen hergestellt, daß wir eine Kleinstadt damit hätten versorgen können. Dennoch schufteten wir weiter.
Abends, wenn der Vater schlafen gegangen war, unternahmen Aul und ich Spaziergänge. Doch ich kannte nun schon beinahe jeden Winkel in diesem Mond. Daher kam trotz meines geordneten Tagesablaufs Langeweile auf. Die monotone Wiederholung des vorangegangenen Tages drückte mehr und mehr auf meine Stimmung.
Eines Tages weigerte ich mich, weiter Töpfe zu drehen. »Ich mag nicht mehr«, sagte ich mißgelaunt. »Wozu arbeiten wir, für wen? Wir haben Kunstwerke geschaffen – wer bewundert sie oder erfreut sich daran? Wer benutzt unsere Vasen? Was wir tun, ist sinnlos, Vater…«
»Ich erfreue mich daran«, sagte er, »es erfüllt mich mit Genugtuung, all diese Herrlichkeiten und Reichtümer zu besitzen.«
»Natürlich«, höhnte ich, »dein ganzes Leben war Selbstzweck. Ich und immer wieder ich… Jetzt erst habe ich begriffen, daß der Mensch für etwas leben muß, daß er untrennbar mit der Gemeinschaft verbunden ist – sonst ist er schon zu Lebzeiten ein Leichnam. Ich kann keine Krüge und Vasen mehr sehen. Sollen sie die Roboter ins Universum schießen – vielleicht werden sie dort einmal entdeckt.«
»Ich kenne deine plebejischen Ansichten, mein Sohn, darum werde ich mit dir nicht streiten. Ich jedenfalls habe in all diesen Jahren meine Tage sinnvoll verbracht. Mir ist die Arbeit nie abgerissen. Ich grabe, jäte, dünge meinen Acker und übe mich in der schöpferischen Gestaltung. Auch wissenschaftlich lerne ich dazu. Ich studiere zum Beispiel die Natur, beobachte die Tiere und bin gut zu ihnen. Es herrscht Vertrauen zwischen uns. Baffra, das kleinste unter meinen Hühnern, legt mir beispielsweise die Eier in die Hand. Im Garten bewundere ich den Staat der Ameisen. In ihm herrscht die vollkommenste Ordnung. Die Tierchen treiben Ackerbau, sie sammeln Vorräte, trocknen Samenkörner, legen Straßen an, vermehren sich – ein idealer Staat. Sogar Vornehme und Geringe findest du unter ihnen…«
»Beinahe ein Spiegelbild deiner eigenen Gesellschaft«, antwortete ich erbittert. »Vornehme und Geringe, Herren und Sklaven. Damit du es weißt: Ich pfeife auf deine Schum-ischiukini oder wie sie heißen mögen…« Ich konnte sein Gerede nicht mehr ertragen, lief hinaus.
Er schrie mir nach: »Du verwechselst Schamasch-schumukin, Bruder des Assurbanipal, mit dessem Sohn Sin-scharischkun…«
Hol dich der Gott der Hölle, dachte ich und suchte Aul. Sie schlief. Auch der Dackel lag faul auf dem Rasen. Selbst in ihm schien eine Aversion gegen die Umwelt erwacht zu sein. Er wurde von Tag zu Tag fetter.
Als Aul aus ihrem Dauerschlaf erwachte, sprach ich mit ihr über meinen desolaten Zustand. Sie verstand mich, wollte Me bitten, mich umzuprogrammieren. Mit seiner Zustimmung hätten wir auch einen Transporter für Ausflüge zu anderen Jupitermonden benutzen dürfen. Doch Aul bemühte sich vergeblich um eine Verbindung. Der Chef hüllte sich in Schweigen. Ich sagte: »Die Verbindung zu deinem Me ist mehr als kläglich. Seit Wochen bemühst du dich um ein Gespräch. Wenn man auf der Erde von einem Kontinent zum anderen telefonieren will, ist die Verbindung in wenigen Minuten hergestellt.«
»Und wie lange dauert es, wenn ihr mit jemandem in Jupiternähe sprechen wolltet?« fragte sie.
Ich gab es auf, Kritik zu üben.
Früher, wenn ich überarbeitet war, hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als einmal unbegrenzt zu faulenzen. Das Nichtstun und Zu-nichts-verpflichtet-Sein erschien mir so begehrenswert, daß ich sogar meinen Kater um sein faules Dasein beneidete. Nun hatte ich Gelegenheit, in vollkommener Faulheit mein Leben zu verbringen, und mußte erfahren, daß die Langeweile wie eine schmerzhafte Krankheit in mir fraß. Ich war
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