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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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Alte einige Male die Karten hin, wenn er verlor – und das geschah anfangs häufiger –, aber sein Zorn hielt nicht lange vor. Er wurde immer besessener, hätte am liebsten noch in der Nacht weitergespielt. Allmählich spielte er mit raffinierter Bauernschläue, mauerte und mogelte sogar. Das neue Spielchen gegen die nervtötende Langeweile hatte den Frieden zwischen uns wiederhergestellt. Die beiden kannten nun nicht nur das Spiel und seine Regeln, sondern beherrschten auch alle dazu gehörenden Redewendungen und Fachausdrücke. Ging es nur um das Spiel, benötigte der Alte keinen Dolmetscher mehr. Doch mit seinem etwas manipulierten Glück – er verstand es sehr geschickt, sich die Buben und Asse einzumischen – fand er auch zu seiner Geschwätzigkeit zurück. Einmal, als ich ihm »Achtzehn« geboten hatte, blickte er abwesend vor sich hin und meinte dann tiefsinnig: »Weißt du, mein Sohn, ich habe lange über unser Gespräch von neulich nachgedacht. Du sprachst von der Entwicklung auf der Erde. Gut und schön, Panta rhei, alles entwickelt sich weiter. Mein Täubchen hat mir auch einiges erklärt. Also einmal war der Mensch ein Nichts, krabbelte noch in anderer Gestalt im Ozean herum. Ich glaub’ es zwar nicht, aber soll es so gewesen sein. Bei allen Göttern, wohin entwickelt sich der Mensch? Wohin soll das führen?«
»Hast du achtzehn, Vater?«
»Achtzehn.«
»Zwanzig?«
»Zwanzig.«
»Zwo…«
»Es ist schon erstaunlich, über welche Kenntnisse dieser Me verfügt. Aber ist er ein Mensch? Ich denke, darin sind wir uns einig, ein Mensch kann er nicht sein…«
»Zweiundzwanzig sind geboten, Vater.«
»Ich will dich nicht reinlegen mit deinem lächerlichen Pikspiel. Ich halte die Zweiundzwanzig.«
Ich paßte. Fritz bot weiter. Bei sechsunddreißig fing der Alte wieder an. »Ich frage mich, was treibt den Menschen zu immer neuer Forschung? Hat er es nötig?«
»Neugier ist ein Trieb wie Essen und Trinken«, sagte ich. »Wenn dieser Trieb verantwortungsbewußt gesteuert wird, zwingt der Mensch die Naturkräfte in seinen Dienst. Er muß weiterforschen, denn Stillstand bedeutet Rückentwicklung. Das hatte schon mein Freund Hein erkannt, damals, auf Manik Maya. Und darum ist auch dein Ameisenstaat keineswegs ideal. Hier obwaltet Unterwerfung und Anpassung. Wir aber verändern…«
»Darüber muß ich nachdenken«, murmelte er. »Ich frage mich nur, wo ist das Ende…«
»Kruzitürken, spielen wir Skat, oder philosophieren wir!« empörte sich Fritzchen. »Ich hatte sechsunddreißig geboten.«
»Racha«, knurrte der Alte verächtlich, »am liebsten würde ich dich jetzt mit deinem Kreuz ohne Zweien sitzenlassen und Kontra geben. Oder kannst du mehr bieten?«
Fritzchen paßte, der Alte kündete einen Grand an, spielte seine beiden Buben aus. Während er die Stiche kassierte, sagte er zufrieden: »Fortschritt hin, Fortschritt her – ist das Leben nicht auch so ganz vergnüglich? Man drischt einen Skat, philosophiert über Gott und die Welt – was wollen wir mehr? Raumschiffe und Atome, alles Schnickschnack… Bediene, mein Sohn, ich habe Herz-König serviert.«
Sein Gerede verwirrte mich, ich war nicht bei der Sache, stach den König mit dem As.
»Du spielst wie ein Nachtwächter«, meckerte Fritzchen, »warum schnippelst du nicht die Zehn heraus?«
»Jedenfalls waren es denkende Wesen, die diesen Mond eingerichtet haben. Wenn sie nicht das Atom beherrschten und Raumschiffe besäßen, wärst du längst vermodert.«
»Hierin muß ich dir zustimmen«, bekannte der Alte und schob Fritzchen nach seinem gewonnenen Spiel die Karten zum Mischen hin. »Die Sache mit dem Heiligen Geist ist ja auch interessant, ein uralter Trick. Ich erinnere mich, daß irgendeine Tochter des elenden Bil-sar-ussur eines Tages ein Kind zur Welt brachte. Zufällig weiß ich nun, daß der Vater der Obermundschenk war. Was aber wird dem staunenden Volk verkündet? Die hochgestellte Dame sei vom Heiligen Geist befruchtet worden… Fritz, du Racha, es soll sich schon mal einer totgemischt haben.«
»Wie soll man spielen, wenn du über den Heiligen Geist redest?« räsonierte Fritz.
Er hatte es in der Tat nicht leicht, denn er mußte spielen und das Gerede des Alten dolmetschen. Der ließ sich nicht abhalten, das Spiel immer wieder zu unterbrechen.
Am Nachmittag gesellte sich Aul zu uns. Sie war sehr erfreut, daß ihr Vater regen Anteil am Spiel nahm. »Den beiden ziehe ich das Fell über die Ohren«, frohlockte er, »es ist kein leichtes Spiel,

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