Zeit der Sternschnuppen
roten Trikot löste meine Klarstellung beifälliges Gemurmel aus, während die Rosafarbenen stumm und ergeben mit ihren Glasköpfen nickten. Wenig später palaverten sie wieder gemeinsam.
»Sie werden die Steine jetzt zerstören«, sagte Aul.
»Niemals!« schrie ich. »Ich kratze und beiße, wenn sie mir zu nahe kommen. Sie sollen verschwinden, sag es ihnen. Ich lasse mir nicht den Bauch aufschneiden!«
»Niemand will dir den Bauch aufschneiden. Ich begreife deine Logik nicht. Die Steine sind die Ursache deiner Schmerzen. Folglich muß man die Ursache beseitigen.«
»Laßt mich in Ruhe«, stöhnte ich, »ich verlange, daß man meinen Willen respektiert. Ich bin ein freier Mensch…«
»Wenn du so denkst, bist du nicht frei, sondern Gefangener deiner Angst«, wurde ich belehrt. »Freiheit gründet sich auf Vernunft und bewußt erkannte Einsicht in die Notwendigkeit.«
Das habe ich schon irgendwo einmal gelesen, dachte ich und beobachtete die Glasköpfe. Keiner von ihnen hatte eine Spritze oder ein Skalpell, im Gegenteil, es sah fast aus, als hätten sie jegliches Interesse an mir verloren. Alle zwölf waren an eine Wand getreten und umringten dort etwas, was ich nicht sehen konnte. »Gehen wir, Aul…« Ich bemühte mich vergeblich, aus dieser Schwebelage herauszukommen, und Aul dachte nicht daran, mir zu helfen.
»Bitte, verhalte dich wenigstens eine Minute ruhig«, mahnte sie vorwurfsvoll, »es ist gleich vorüber.«
»Was ist gleich vorüber?«
Sie antwortete nicht. Mir trat erneut der Angstschweiß auf die Stirn. Sie werden dich mit irgendwelchen Strahlen einschläfern, dachte ich. Natürlich, sie brauchen kein Skalpell, sie schneiden mit Laser… Aul lächelte mir aufmunternd zu. Ihr freundliches Gesicht ließ mich für einen Moment meine Sorgen vergessen. Ich hatte sie wohl mit meinen Fluchtplänen verletzt. Einen Transporter entwenden, das lag außerhalb ihres Vorstellungsvermögens. »Sternschnuppe«, flüsterte ich, »bitte bringe mich jetzt zurück, hilf mir, hier herunterzukommen. Ich möchte mit dir noch einmal über alles reden. Glaube mir, es lag nicht in meiner Absicht, dich zu kränken.«
»Ich weiß es«, erwiderte sie, und etwas später: »Jetzt ist alles in Ordnung, wir können gehen.«
»Was ist in Ordnung?«
Sie half mir herunter. Ich war etwas wacklig auf den Beinen. »Was ist in Ordnung?« wiederholte ich meine Frage. »Warum haben die Glasköpfe ihren Plan aufgegeben?«
Aul deutete auf die Lampen unter der Decke. »Du wurdest bereits operiert. Sie haben die Steine zerstrahlt oder, wenn es dir besser gefällt, verdampft. Jetzt brauchst du Entspannung und Ruhe.« Sie half mir, das Trikot anzuziehen.
An Ungewöhnliches gewöhnt, tastete ich über meinen Bauch. Keine Naht, keinen Druck, keine Schmerzen. Respektvoll beobachtete ich die gelehrten Glasköpfe, die nun im Gänsemarsch den Raum verließen.
»Wie fühlst du dich?« fragte Aul besorgt.
»Danke, Schwester«, scherzte ich, »wie im siebten Himmel. Schade, daß ich von dieser Operationsmethode niemandem erzählen kann.« Ich bat sie um eine Energietablette.
»Später«, sagte sie.
Versöhnend legte ich ihr den Arm um die Taille. »Ich bin ein großer Esel, Aul. Ich halte das schönste Mädchen des Weltalls in den Armen und habe dich so gekränkt. Vergiß, was ich gesagt habe.«
Um ihren Mund huschte ein schwaches Lächeln. Als ich sie küßte, wurde alles, was mich eben noch bewegt hatte, bedeutungslos.
14
Eigentlich erging es mir ähnlich wie Auls Vater. Je nach Stimmung neigte ich mal zur Versöhnung mit meiner Umgebung, fand ich mich mit dem Unabänderlichen ab, oder es kam das Heimweh durch, die Sehnsucht nach tausend Gewohnheiten, nach Kleinigkeiten im Grunde, etwa nach Musik, einem bestimmten Essen, einem Buch oder einem Schaufensterbummel.
Schlimmer war der Gedanke an die Lebenden, die ich zurückgelassen hatte, meine Frau, die Freunde und Verwandten. In solchen Augenblicken verwünschte ich die »Quil« samt ihren Schöpfern.
Ich hatte noch einmal mit Aul über mein Anliegen gesprochen. Nicht sehr ausführlich. Für sie war es ein undiskutables Ansinnen, den Mond ohne Wissen und Zustimmung des Me zu verlassen. Sosehr sie auch meinen Wunsch teilte, erfüllen konnte ihn nur der Kommandant. In ihrem Leben gab es keine Lüge und keine unredliche Handlung. Sie versprach mir, noch einmal mit Me zu reden. Er sollte sich über meine Zukunft äußern. Ich machte mir keine großen Hoffnungen.
Mein Tagesablauf verlief von nun an mit
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