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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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andere hast du selbst mit angesehen. Als Sie seine Energiequellen wieder einschalteten, erkannte er mich wieder. Zum ersten Male hatte ich entsetzliche Angst, denn es war nicht ausgeschlossen, daß sich sein Bewußtsein weiter ausgebildet hatte. Es mußte wohl auch so etwas geschehen sein, anders läßt sich sein Verhalten nicht deuten. Als er vor mir stand, sagte er mit einer nie gekannten Aggressivität: ›Du gehörst zu mir!‹ Immer wieder diesen Satz…«
Ich bemerkte, wie die Erinnerung an die grausige Szene sie aufregte, zog sie an mich. »Es ist ja vorbei, beruhige dich, Kleines…«
Der Gedanke an einen verliebten, zeugungsunfähigen Roboter war von erheiternder Komik und dennoch erschreckend. »Du gehörst zu mir!« – keine Bitte oder Feststellung, sondern ein Befehl. Ein künstliches Wesen war aus dem Kreis herausgetreten, der ihm von seinem Schöpfer gezogen worden war. Wohin wäre seine Entwicklung verlaufen? Die Fähigkeit, selbständig zu denken, Kombinationen durchzuführen und sie kritisch zu überprüfen, war von vielen Faktoren abhängig. Empfangene Impulse mußten gegeneinander ausgetauscht und mit gespeicherten Erfahrungswerten verglichen werden können. Hiermit verband sich eine Qualitätsbestimmung des Gesehenen und Gehörten. Setzte eine solche Entwicklung nicht auch eine Erweiterung von Hirnpartien voraus? Ich besaß nur eine sehr unklare, laienhafte Vorstellung von diesen komplizierten Vorgängen, aber offenbar mußte die Bestrahlung eine Verselbständigung, ein unabhängiges Wachstum ausgelöst haben. Aul hatte recht, Simon war kein Roboter mehr im ursprünglichen Sinne gewesen. War es nicht begreiflich, wenn sie Zuneigung und Sympathie für ihn empfand? In ihrer Unschuld und in dem Wunsch, sich als Frau bestätigt zu wissen, war sie sich nicht über die Folgen ihrer Experimente klargeworden. Eine wenig erbauliche Vorstellung, zu denken, mit Fritzchen oder seinen Artgenossen könnte durch Zufall ähnliches geschehen. Weshalb aber Simons Zerstörung? Ich fragte sie danach.
»Sie haben nur seine Hülle und unwesentliche mechanische Teile verdampft«, antwortete Aul, »vorher hatten sie die Informationsspeicher und anderes herausgenommen. Simon kann also auch jetzt noch denken. Man wird ihn analysieren, zurückprogrammieren, und bald wird er wieder seinen Dienst verrichten. Er würde mich nie wiedererkennen…«
Vor Monaten noch hätte ich eine derartige Geschichte als Gruselstory aus der Gedankenwelt eines Edgar Allan Poe oder Gustav Mayrink bezeichnet. Denkende Wesen aus dem Laboratorium, Traum aller Alchimisten, so alt wie der denkende Mensch selbst. Und hinter dem Wunsch, den Schöpfungsakt zu wiederholen, waren auch die Skepsis, die Furcht sich gleichgeblieben, statt seines Ebenbildes nur einen Golem oder Frankenstein zum Leben zu erwecken. Mir war der Gedanke tröstlich, daß auch die Schöpfer der »Quil« und der intelligenten Roboter die letzte Seite des geheimnisvollen Buches der Schöpfung noch nicht aufgeschlagen hatten.
Ich küßte Aul, empfand ein unaussprechliches Glück, sie in meinen Armen zu halten, ihren Körper zu fühlen. »Es war doch ganz gut, daß sie mich hierhergeschafft haben, Sternschnuppe. Wir beide passen wohl besser zusammen.«
»Ja«, hauchte sie glücklich.
Eine Weile saßen wir, dem Mond und dem Universum entrückt, in innigster Umarmung beieinander. Als hinter uns Zweige knackten, glaubte ich, ihr Vater hätte uns entdeckt und wollte mich wieder zum Skatspielen animieren. Mir lag eine zornige Bemerkung auf der Zunge. Als ich aufblickte, verschlug es mir die Sprache. Es war, als legte sich eine eiserne Klammer um meinen Hals. Nur wenige Schritte von uns entfernt standen drei Roboter.
Sie trugen violette Trikots.
    Mein Erschrecken war derart, daß ich keinen Laut hervorzubringen vermochte. Aul hatte die drei noch nicht bemerkt. Sie standen unbeweglich unter den Bäumen, als wären sie zu Salzsäulen erstarrt. Die eben noch mit Aul geführte Unterhaltung, die meine Phantasie erhitzt hatte, und die Erinnerung an ihre Zerstörungswut riefen Schreckensvisionen in mir hervor; sie erschienen mir wie meine Henker. »Aul«, würgte ich endlich hervor, »Aul, befiehl ihnen was…«
    Sie löste sich aus meiner Umarmung und folgte meinem entsetzten Blick. In diesem Moment verneigten sich die drei, wippten mit den Glashelmen. Aul sprang auf, rief etwas. Wieder verneigten sich die drei. Dann sprach einer.
    Ich stand auf und ging einige Schritte zurück. Es beruhigte mich

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