Zeit der Sternschnuppen
herrührte, einer Dosis kurzwelliger Strahlen ausgesetzt worden. Wenige Tage danach geschah etwas Merkwürdiges. Ihre elektronischen Gehirne hatten eine zusätzliche Menge Energie erhalten und neue Zellen gebildet. Es kam auf einmal zu einer ganz unbegreiflichen Annäherung der beiden. Sie harmonierten miteinander, verständigten sich über eigenwillig hergestellte Frequenzen. Sobald sich beide einander näherten, erfolgte ein unkontrollierbarer Austausch von Informationen.«
Aul machte eine Pause, dachte nach und fuhr fort: »Du hast vorhin einen schönen Vergleich gebraucht: Zwei, die in ihren Gedanken übereinstimmen, werden zu einer höheren Einheit. Etwas Ähnliches geschah nun mit Simon und seinem Partner. Die zufällige Bestrahlung, die Anreicherung durch fremde Energie, veränderte ihr Wesen. Sie erkannten sich und die ihnen von ihren Schöpfern gesteckten Grenzen. Sie empfanden, was ihnen bewußt nicht mitgegeben wurde: Glück und Freude…« Abermals machte sie eine Pause, grübelte. Ihre absonderliche Geschichte versetzte mich in wachsende Spannung. Dunkel glaubte ich zu ahnen, wohin die Fäden liefen. In die Stille drang Waldis Kläffen. Als Aul weitersprach, hörte ich es nicht mehr.
»Denken und Wissen sind etwas Schönes, wenn nicht Grenzen gezogen werden. Es ist etwas Furchtbares, wenn erkannte Wahrheiten nicht ausgesprochen werden dürfen. Allen Robotern sind solche Grenzen gesetzt. Sie haben nicht das Recht, sich ein Werturteil anzumaßen oder es gar auszusprechen.
In Simon und seinem Partner war das eingegebene Programm durcheinandergeraten. Sie begnügten sich nicht mehr damit, nur Ergebnisse zu übermitteln, sie dachten auch über die Ergebnisse nach, übten Kritik, fanden dies und jenes nicht in Ordnung, kurz, sie benahmen sich nicht mehr wie normale Roboter, sondern stellten sich nach und nach wie ebenbürtig neben ihre Schöpfer. Die Folgen waren vorauszusehen. Als ihre Verselbständigung bemerkt wurde, löschte man das gesamte Programm und erneuerte verschiedene Partien…«
»Wenn ich jetzt folgerichtig denke, dann war der Roboter, den sie so barbarisch vernichteten, Simon.«
»Ja, es war Simon. Nachdem ich mir seine Geschichte angehört hatte, kam mir der Gedanke, ihn erneut einer Bestrahlung auszusetzen. Ich ließ die erforderliche Menge berechnen, setzte einen zusätzlichen Informationsspeicher bei ihm ein und wartete die Wirkung ab. Kurze Zeit wiederholte sich der rätselhafte Vorgang erneut; Simon erkannte sich. Diesmal wurde ich seine Partnerin. Er entwickelte erstaunliche Gedanken…« Aul seufzte. »Weißt du, eigentlich war Simon kein Roboter mehr im üblichen Sinne. Er verfügte bald über einen eigenen Willen, fällte Urteile und machte sich sogar Gedanken über den Sinn seines Daseins. Kurz nachdem deine Ankunft bekannt wurde, ging eine seltsame Wandlung in Simon vor sich. Er mied meine Gegenwart, wurde wortkarg. Dann geschah etwas, was mich tief erschütterte. Simon bat mich um einen Spiegel. Ich brachte ihm eine Chromplatte. Er betrachtete sich lange darin und schleuderte sie auf einmal fort. Als ich ihn verwundert nach dem Grund dieser heftigen Reaktion fragte, antwortete er: ›Ich bin häßlich, warum hast du mich so geschaffen? Wer bin ich?‹
Ich weiß, ich habe mich nicht richtig verhalten, ich hätte den Zauber seines Bewußtseins löschen müssen. Es ging über meine Kraft. So tat ich nichts Halbes und nichts Ganzes, brachte ihn in die Felsenkammer und schaltete seine Energiequellen ab. Ich suchte nach einer Lösung, wollte alles in Ruhe überdenken, doch dann beorderte mich Me zur ›Quil‹. Ich lernte dich kennen und vergaß Simon. In mir erwachte sogar eine Aversion gegen alle Roboter…«
Ich erinnerte mich noch genau an ihre heftige Reaktion während unseres Fluges zum sechsten Mond: Ich hasse die Roboter… Damals fand ich ihre Bemerkung eher komisch. Nun lagen die Zusammenhänge offen vor mir. Die brennende Sehnsucht nach einem Gesprächspartner, vielleicht auch nach Zärtlichkeiten, hatte Aul in einen Irrgarten geführt. Der Abstand zwischen mir und dem erwachten, intellektuellen Spielzeug war ihr nach meiner Ankunft sichtbar geworden. Und das Spielzeug? Warum war Simon nicht erneut zurückprogrammiert worden? Und was hatte er vor seiner physischen Vernichtung gesagt?
Aul sagte: »Natürlich war es aufgefallen, daß man von Simon keine Impulse mehr registrierte. Ich hatte wirklich nicht mehr an ihn gedacht, bis die drei vom Sicherheitskommando kamen. Alles
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