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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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war in Gedanken weit weg von mir. Erst nach einer Weile kehrte sie aus ihren Erinnerungen zurück. »Ja, einmal werde ich es dir erzählen«, sagte sie.

15
    Eigentlich war es nicht so sehr Auls Verhalten, das mich beunruhigte, obwohl mich ihr Geheimnis unentwegt beschäftigte. Weitaus mehr zerbrach ich mir den Kopf über die beängstigende Aggressivität der violettfarbenen Roboter. Über welche Machtbefugnisse verfügten sie? Ihre Perfektion im Zerstören beschäftigte mich selbst im Schlaf. Was ging in den künstlichen Gehirnen vor? Die rabiate, sinnlose Vernichtung stand im krassen Gegensatz zu dem humanistischen Gedankengut meines Dolmetschers, der sich sogar geweigert hatte, die Krüge des Alten zu zerstören. Waren die drei von einer anderen Art, vielleicht höher entwickelt? Gab es unter ihnen verschiedenartige Charaktere?
    Mir fiel der Streit zwischen den gelehrten »Doktoren« ein, die sich bei der Debatte über die Herkunft meiner Gallensteine ebenfalls recht ungewöhnlich verhalten hatten. Etwas stimmte mit diesen künstlichen Wesen nicht. Aul schwieg sich noch immer aus. Sie hatte sich schnell von ihrem Schock erholt, doch war sie schweigsamer geworden. Ich hatte den Eindruck, als meide sie meine Gesellschaft. Einmal beobachtete ich sie an der Töpferscheibe. Noch nie hatte ich sie singen hören, sofern man ihr Trällern als Singen bezeichnen konnte. Sie drehte die Scheibe mit dem Fuß zu einer Melodie.
    Fritzchen übersetzte mir den sonderbaren Text, der sinngemäß folgenden Wortlaut hatte:
    »Der Stern ist fern, fern ist der Stern. Ich hätt’ ihn gern, den fernen Stern…«
    Bemüht, wenn ich etwas nicht sogleich begriff, die Ursache in mir selbst zu suchen, in meinen mangelnden Kenntnissen, grübelte ich lange über den verborgenen Sinn der Strophe. Vergeblich, ich kam nicht dahinter.
    Es war gewiß nicht nur ihre Zurückhaltung mir gegenüber, wenn sich bei mir langsam wieder Nervosität und Gereiztheit bemerkbar machten. Im Bewußtsein der Sinnlosigkeit eines Daseins um seiner selbst willen waren meine Nerven einer sich steigernden Belastung ausgesetzt. Der rätselhafte Me meldete sich auch nicht. In mir verstärkte sich immer mehr der Verdacht, daß es den geisterhaften Kommandanten überhaupt nicht gab, daß er nur als Fiktion, als Einbildung existierte.
    Ich ließ mich weiter überreden, mit Fritzchen und dem Alten Skat zu spielen. Es wäre mir auch kaum möglich gewesen, seiner Beredsamkeit zu entgehen, denn in dem Alten war die Spielernatur erwacht. Er vernachlässigte zugunsten des Spiels seine Gartenarbeit, ließ sich nur noch selten in der Töpferwerkstatt sehen.
    Ich spielte lustlos, verlor Millionen und aber Millionen, war mit meinen Gedanken immer wieder bei den Violettgekleideten. Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus. Aul hatte sich schon seit Tagen nicht mehr blicken lassen. Sie hielt sich in der Steuerzentrale auf, wo sie irgendwelche Berechnungen anstellte. Ich warf die Karten hin, weigerte mich weiterzuspielen. Der Alte zeterte, es sei unfair, ohne Ankündigung einfach aufzuhören.
    »Ich mag nicht mehr«, sagte ich müde, »es ödet mich an.« »Wenigstens noch eine Runde«, bettelte er, »sagen wir,
    Kreuz-Bube gibt ab…«
»Nein!« schrie ich. »Ich habe genug! Spiele meinetwegen Patience, oder laß dich von Me auf die Erde zurückversetzen, dort gibt es genug Skatbrüder.«
    Ich ließ ihn schimpfen und begab mich in die Zentrale.

    Aul stand am Projektionsschirm und debattierte angeregt mit einem Roboter.
    »Ich fühle mich vernachlässigt«, sagte ich beherrscht, »weshalb läufst du dauernd von mir weg?«
Sie machte ein unschuldiges Gesicht. »Ich liefe vor dir weg? Wie kommst du nur darauf, mein Mondmensch? Ich glaubte, du würdest lieber mit Vater Karten spielen. Me hat unseren Kleinen interessante Aufgaben gestellt. Denk nur, wir haben das Echo eurer Milchstraße aufgefangen. Das läßt interessante Rückschlüsse auf verschiedene Bewegungsvorgänge im Universum zu. Es ist schrecklich aufregend, wir streiten gerade über den Spieglungseffekt – es ist dir sicher bekannt, daß die Welt asymmetrisch ist…«
»Bekannt ist mir nur, daß diese Welt mir auf die Nerven geht«, sagte ich wütend. »Ihr streitet euch also. Sehr schön, ich möchte auch streiten, aber mit dir.«
»Du willst mit mir streiten?« fragte sie bestürzt.
»Natürlich, ich fange an, mich anzupassen. Streiten wird hier offenbar groß geschrieben…«
»Nur um der Wahrheit näherzukommen. Ohne Streit

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