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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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durch das Fenster, dann wirst du verstehen, warum ich dich allein lassen muß.«
Beklommen folgte ich seiner Aufforderung.
Hinter der Öffnung befand sich ein kleiner lichtheller Raum. Die Wände waren mit Meßinstrumenten, farbigen Fasern, Leuchtröhren und Zuleitungen aus verschiedenem Material bedeckt. Es sah hier aus wie in einem Forschungslabor. Sogar aus der Decke kamen die Zuleitungen und Fasern, führten zur Mitte des Raumes, wo auf einem Sockel eine abgeflachte Kugel aus dunklem Glas stand. Von einem lebenden Wesen keine Spur.
Also doch nur ein elektronisches Etwas, dachte ich enttäuscht. In diesem Augenblick erhellte sich die Kugel, wurde durchsichtig. Ein Schauer überrieselte mich, als ich erkannte, was sich in ihrem Inneren verbarg.
In einer Nährlösung pulsierte ein menschliches Gehirn.
    »Kannst du mich jetzt sehen? Ist deine Neugier befriedigt?«
    Lieber Himmel, dachte ich, du bist nicht bei Sinnen, es sind nur Alpträume. Unmöglich kann er dieses Gehirn sein. Doch die Antwort, sein Denken, von Bioströmen gesteuert, durch Nährflüssigkeit belebt, in hochempfindlichen Lautsprechern verstärkt, löste nach und nach die Verwirrung und das Geheimnis seiner rätselhaften Existenz.
    »Was du vor dir siehst, ist alles, was nach der Katastrophe nahe dem ›Weißen Zwerg‹ von mir geblieben ist. Mein Körper verbrannte, doch an Bord unserer Raumflottille befanden sich hervorragende Wissenschaftler. Sie retteten mein Denken, mein Ich, mein Bewußtsein. Aus der Not wurde eine Tugend, aus dem Unglück die Lösung für ein bis dahin noch nicht gewagtes Experiment. Ich starb und bin dennoch; ich bin gefangen und doch frei, denn mein Planet ist die ›Quil‹, an keine Sonne, an keine Schwerkraft gebunden. In mir ist kein Gefühl, kein Heimweh, kein Schmerz und keine Trauer. Ich lebe ohne Zeit und Weg, die Unendlichkeit schreckt mich nicht…«
    Es war sonderbar, ich gab mir Mühe, sein Schicksal nachzuempfinden, doch seine Gelassenheit übertrug sich auf mich. Außer einem ersten Schock empfand ich nichts für ihn. Nur neugieriges Interesse beherrschte mich. Ich bemerkte, daß über der Glaskugel jedesmal Lichter aufzuckten, wenn er redete. Auch jetzt registrierten Impulse seine Gedanken, als er weitersprach.
    »Seit der Katastrophe sind Automaten von unterschiedlicher Intelligenz meine Begleiter. Ob ›Feha‹ der Erde gleicht? Dein Dolmetscher hat dir die Wahrheit gesagt, doch sie wird dir verschlossen bleiben, solange du nicht umprogrammiert bist. Wir gleichen euch Menschen, aber wir leben und denken in einer anderen Dimension, wir haben neue physikalische Verhältnisse geschaffen. Einmal, mit der wachsenden Aufnahmefähigkeit eures Gehirns, werdet auch ihr diese Entwicklungsstufe erreichen. Es ist ein natürlicher und sinnfälliger Prozeß, der bei der Null-Dimension beginnt…«
    Ich verstand ihn nicht ganz, waren doch nur drei Dimensionen für uns vorstellbar, die Länge, die Höhe und die Breite. Was sollte es außerdem noch geben?
    »Hast du noch mehr Fragen?«
»Ja, wenn es erlaubt ist… Ich bitte zu bedenken, daß ich kein Wissenschaftler bin, trotzdem würde ich gern wissen, welchen Sinn die Entwicklung eigentlich hat. Geboren werden, sehen, sich vermehren, um dann wieder zu sterben – ist das im Grunde nicht sinnlos?«
Endlose Zeit schwieg Me. Hatte er meine Frage nicht verstanden, oder wußte er keine Antwort darauf? Ich wollte meine Frage schon wiederholen, als er antwortete: »Ich bin solche langen Gespräche auf dieser Ebene nicht mehr gewohnt. Wenn du dich entschließen würdest wiederzukommen, können wir unsere Unterhaltung auf einer höheren Ebene fortsetzen. Zu deiner Frage jetzt nur soviel: Du hast recht, wenn man das Leben nur als ein naturwissenschaftliches Phänomen betrachtet, so ist das Leben wie auch die uns umgebende Natur sinnlos. Die Natur hat in ihrer unendlichen Vielfalt uns wie euch hervorgebracht. Der gesetzmäßige Zufall hat in uns die erkennende und sich selbst begreifende Vernunft entwickelt. Du kannst sagen: Ich bin. Folglich hat das Leben immer den Sinn, den du selbst hineinlegst. Du kannst auf der Stufe des Tieres stehenbleiben, du kannst erkennen und resignieren, und du kannst dich als ein gesellschaftliches Wesen begreifen, das Leben als etwas Seltenes und Kostbares verstehen. Immer wird der Sinn deines Lebens von der Tiefe deines Denkens und vom Horizont deiner Erkenntnisse abhängen…«
Me, das unsterbliche Etwas vor mir, machte eine Pause. In seinen Worten war

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