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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Bouillabaisse!«, flüsterte Miséricorde. » Délicieuse !«
    »Was ist denn Bouillabaisse ?«, flüsterte Joan zurück.
    »Fischeintopf – du wirst ihn mögen, das verspreche ich dir!« Das bezweifelte Joan nicht; nachdem sie während der schweren Jahre nach dem Aufstand in den Highlands groß geworden war, war das unbekannte, köstliche und unfassbar reichliche Essen im Konvent für sie eine überwältigende Erfahrung gewesen. Selbst freitags, wenn die Gemeinschaft tagsüber fastete, lief einem angesichts des schlichten Abendessens das Wasser im Mund zusammen – gerösteter scharfer Käse auf nussigem braunem Brot mit Apfelscheiben.
    Glücklicherweise war der Lachs so groß, dass Schwester George ihn zusammen mit den anderen Meeresfrüchten durch den Fischhändler liefern ließ. So blieb in ihren Körben Platz für frisches Gemüse und Obst, und sie verließen Neptuns Reich, um das der Demeter zu betreten. Joan hoffte, dass es keine Blasphemie war, an griechische Götter zu denken, doch sie konnte das Buch der Mythen nicht vergessen, das Pa ihr und Marsali als Kinder vorgelesen hatte und das herrliche handkolorierte Illustrationen enthalten hatte.
    Schließlich, so sagte sie sich, musste man mit den Griechen vertraut sein, wenn man Medizin studierte. Immer noch erfüllte sie der Gedanke, im Hospital zu arbeiten, mit leiser Beklommenheit, doch Gott berief die Menschen zu ihren Aufgaben, und wenn dies sein Wille war, dann …
    Hier wurde ihr Gedanke unterbrochen, denn ihr Blick fiel auf einen adretten schwarzen Dreispitz mit einer geringelten blauen Feder, der sich langsam in der Menschenflut auf und ab bewegte. War das – ja! Léonie, die Schwester von Michael Murrays verstorbener Frau. Von Neugier ergriffen schaute Joan zu Schwester George hinüber, die fasziniert vor einem riesigen Berg von Pilzen stand – guter Gott, so etwas aßen die Leute? –, und schlüpfte hinter einen Karren, der von Salatkräutern überquoll.
    Sie wollte Léonie ansprechen, sie bitten, Michael zu sagen, dass sie ihn sprechen musste. Postulantinnen durften ihren Familien nur zweimal im Jahr schreiben, zu Weihnachten und zu Ostern, doch er konnte ihrer Mutter einen Brief übersenden und ihr versichern, dass Joan gesund und glücklich war.
    Gewiss würde Michael ein Grund einfallen, den Konvent zu besuchen … Doch bevor sie nahe genug kam, sah sich Léonie verstohlen um, als hätte sie Angst, entdeckt zu werden, dann huschte sie hinter einen Vorhang, der die Rückseite eines kleinen Wagens verdeckte.
    Joan hatte schon öfter Zigeuner gesehen. Ein dunkelhäutiger Mann stand in der Nähe und unterhielt sich mit einigen anderen; ihre Blicke streiften ihre Kutte, ohne innezuhalten, und sie seufzte erleichtert auf. Eine Nonne zu sein war meistens so, als trüge man einen Tarnumhang, dachte sie.
    Sie schaute sich nach ihren Begleiterinnen um und sah, dass man Schwester Mathilde um ihre Meinung bezüglich eines großen, warzigen Klumpens einer Substanz gebeten hatte, die aussah wie das Exkrement eines schwerkranken Schweins. Gut, sie konnte sich noch eine Minute Zeit lassen.
    Länger dauerte es auch kaum, bis Léonie wieder hinter dem Vorhang hervorschlüpfte und etwas in das Körbchen an ihrem Arm steckte. Jetzt erst kam es Joan ungewöhnlich vor, dass jemand wie Léonie ohne einen Bediensteten auf den Markt ging, der ihr den Weg bahnte und ihre Einkäufe trug. Michael hatte ihr während der Reise von seinem Haushalt erzählt – wie Madame Hortense, die Köchin, im Morgengrauen zum Markt ging, um garantiert die frischesten Waren zu bekommen. Was mochte eine Dame wie Léonie ohne Begleitung kaufen?
    Joan schlängelte sich zwischen den Reihen der Stände und Wagen hindurch, so gut sie konnte, und folgte der nickenden blauen Feder. Ein plötzlicher Halt ermöglichte es ihr, Léonie einzuholen, die an einem Blumenstand stehen geblieben war und einen Strauß Narzissen befingerte.
    Plötzlich wurde Joan klar, dass sie gar nicht wusste, wie Léonies Familienname lautete, doch sie konnte sich jetzt nicht mit Höflichkeiten aufhalten.
    »Äh … Madame?«, sagte sie zögernd. »Mademoiselle, meine ich?« Léonie fuhr herum, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht bleich. Als sie sich einer Nonne gegenübersah, blinzelte sie verwirrt.
    »Äh … ich bin es«, sagte Joan zaghaft und widerstand dem Impuls, ihren Schleier abzuziehen. »Joan MacKimmie?« Es fühlte sich seltsam an, das zu sagen, als wäre »Joan MacKimmie« tatsächlich jemand anders. Es

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