Zeit der Träume
seltsame und faszinierende Weise geändert hatte, sie jedoch, sie hatte sich überhaupt nicht geändert.
Sie legte den Stein unter ihr Kopfkissen. »Ich habe noch etwas Zeit«, murmelte sie und schlief ein.
18
Als sie erwachte, war es in der Wohnung totenstill. Sie blieb einen Moment lang ruhig liegen und betrachtete den Sonnenstrahl, der durch die Vorhänge vor ihren Terrassentüren auf den Fußboden drang.
Morgen, dachte sie. Mitten am Morgen. Sie konnte sich nicht erinnern, eingeschlafen zu sein. Und was noch besser war, sie konnte sich auch nicht erinnern, sich vor dem Einschlafen unruhig hin und her gewälzt zu haben.
Lächelnd fuhr sie mit der Hand unter das Kissen und tastete nach dem Stein. Als sie ihn nicht fand, setzte sie sich stirnrunzelnd auf und hob das Kopfkissen an. Es lag kein Stein darunter. Sie suchte überall, auf dem Boden, unter der Couch, und setzte sich schließlich verwirrt wieder hin.
Steine verschwanden doch nicht einfach so.
Oder vielleicht doch. Wenn sie ihren Zweck erfüllt hatten. Schließlich hatte sie ja gut geschlafen, genau wie es ihr versprochen worden war. Sie fühlte sich wunderbar, so als ob sie einen entspannenden Kurzurlaub hinter sich hätte.
»Okay. Danke, Rowena.«
Sie reckte die Arme und holte tief Luft. Der Duft von Kaffee wehte zu ihr herüber.
Falls im Geschenk nicht auch der Morgenkaffee inbegriffen war, war schon jemand aufgestanden.
Sie trat in die Küche und lächelte.
Zoes Kaffeekuchen stand auf der Theke auf einem hübschen Teller. Die Kaffeekanne stand auf der Warmhalteplatte und war noch zu drei Viertel voll. Dazwischen lag, ordentlich zusammengefaltet, die Morgenzeitung.
Malory griff nach der Notiz, die unter dem Teller steckte, und las Zoes exotische Mischung aus Schreibschrift und Druckbuchstaben.
Guten Morgen! Ich musste los - ich habe um zehn einen Termin in der Schule.
Zehn, dachte Malory und blickte geistesabwesend auf die Küchenuhr. Sie riss die Augen auf, als sie sah, dass es schon beinahe elf war.
»Das kann doch nicht wahr sein!«
Ich wollte euch beide nicht wecken und habe versucht, leise zu sein.
Leise wie ein Mäuschen, murmelte Malory.
Dana muss um zwei zur Arbeit, und ich habe ihr sicherheitshalber den Wecker auf zwölf Uhr gestellt, damit sie sich nicht so beeilen muss und noch in Ruhe frühstücken kann.
Es war toll gestern Abend. Ich wollte euch beiden nur sagen, wie froh ich bin, dass ich euch gefunden habe. Oder dass wir einander gefunden haben. Wie auch immer es zustande gekommen ist, ich bin wirklich dankbar, dass ihr meine Freundinnen seid.
Vielleicht können wir uns das nächste Mal bei mir treffen.
Alles Liebe. Zoe.
»Sieht so aus, als sei es der Tag der Geschenke.« Lächelnd legte Malory das Blatt Papier so hin, dass Dana die Notiz ebenfalls lesen konnte. Um sich ihre gute Laune zu erhalten, schnitt sie sich ein Stück Kuchen ab und schenkte sich Kaffee ein. Zusammen mit einem kleinen Glas Saft stellte sie alles auf ein Tablett und trug es auf ihre Terrasse.
Die Luft roch herbstlich. Diesen leicht rauchigen Duft, den der Herbst mit sich brachte, wenn die Blätter begannen, sich zu verfärben, hatte sie immer geliebt.
Sie musste unbedingt ein paar Töpfe mit Astern kaufen, dachte sie, während sie ihren Kuchen aß. Das hätte sie schon längst tun sollen. Und ein paar Zierkürbisse. Und sie würde Blätter sammeln - wenn der Ahorn sich erst einmal rot verfärbt hatte.
Sie würde für Flynns Veranda ein Arrangement zusammenstellen.
Sie trank einen Schluck Kaffee und überflog die Schlagzeilen auf der Titelseite. Die Zeitung zu lesen war jetzt eine andere Erfahrung, dachte sie. Sie fragte sich, wie er wohl diese Vielzahl an unterschiedlichen Elementen zu einem stimmigen Ganzen zusammenstellte.
Ihr Herz machte einen Satz, als ihr Blick auf seine Kolumne fiel.
Seltsam, dachte sie, dass sie sie auch früher regelmäßig gelesen hatte. Was hatte sie damals gedacht? Süßer Typ, hübsche Augen oder so etwas Beliebiges, das man rasch wieder vergaß. Sie hatte seine Kolumne gelesen, hatte entweder zugestimmt oder war anderer Meinung gewesen. Wie viel Arbeit und Mühe darin steckte, wie er auf das jeweilige Thema kam, hatte sie nie überlegt.
Jetzt, nachdem sie ihn kannte, war es anders, jetzt hörte sie hinter den Worten seine Stimme. Sie konnte sich sein Gesicht, seine Miene vorstellen.
Was definiert den Künstler? las sie.
Als sie die Kolumne zum zweiten Mal las, war sie verliebt in Flynn wie eh und je.
Flynn
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