Zeit der Träume
saß auf der Schreibtischkante und lauschte einem seiner Reporter, der einen Artikel über einen Mann im Ort schreiben wollte, welcher alle möglichen Arten von Clowns sammelte.
»Er besitzt über fünftausend, nicht gerechnet die ganzen Memorabilien.«
Irgendwie fand Flynn die Vorstellung, dass jemand fünftausend Clowns in seiner Wohnung hatte, erschreckend. Er stellte sich vor, wie sie sich zu einer Armee zusammenschlossen und einen Krieg anzettelten. All diese großen roten Nasen, das irre Lachen und das Furcht erregende, breite aufgemalte Grinsen.
»Warum?«, fragte er.
»Warum was?«
»Warum hat er fünftausend Clowns?«
»Oh.« Tim, ein junger Reporter, der aus Gewohnheit Hosenträger trug und viel zu viel Gel in seine Haare schmierte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Sein Vater hat mit der Sammlung in den zwanziger Jahren angefangen. So eine Art Generationenvertrag. Er hat schon früh das eine oder andere Stück dazu beigesteuert, und als sein Vater in den fünfziger Jahren starb, hat er alle geerbt. Einige Stücke aus seiner Sammlung haben Museumsqualität. Das Zeug kann man bei ›ebay‹ richtig gut verkaufen.«
»Okay, dann leg mal los. Nimm einen Fotografen mit. Ich möchte eine Aufnahme von dem Typen, vor seiner Sammlung. Und dann noch mal ihn mit seinen interessantesten Stücken. Er soll dir die Geschichte von einigen Stücken erzählen. Geh auf die Vater-Sohn-Beziehung ein und erwähne ein paar Preise in jeder Größenordnung. Wir könnten es in die Wochenendausgabe bringen. Und, Tim, redigier das Interview anständig.«
»Okay.«
Als Flynn aufblickte, sah er, dass Malory zwischen den Schreibtischen stand, einen großen Topf mit rostfarbenen Herbstastern im Arm.
»Hi! Willst du gärtnern?«
»Vielleicht. Ist es ein schlechter Zeitpunkt?«
»Nein. Komm rein. Wie stehst du zu Clowns?«
»Grauenhaft, wenn sie auf schwarzen Samt gemalt sind.«
»Der war gut. Tim!«, rief er seinem Reporter hinterher.
»Fotografier auch ein paar Clowns auf schwarzem Samt.« Leise murmelte er: »Das könnte gut werden.«
Malory trat vor ihm in sein Büro und stellte die Blumen auf die Fensterbank. »Ich wollte...«
»Warte.« Flynn hob einen Finger, während er auf die Meldung lauschte, die aus dem Polizeifunk kam. »Halt den Gedanken fest«, sagte er zu ihr und ging wieder zur Tür. »Shelly, da ist ein VU, auf der Crescent. Polizei und Krankenwagen sind schon unterwegs. Nimm Mark mit.«
»VU?«, echote Malory, als er sich ihr wieder zuwandte.
»Verkehrsunfall.«
»Oh. Ich habe gerade heute morgen noch gedacht, wie schwierig es wohl sein mag, die ganzen unterschiedlichen Meldungen jeden Tag auf einer Seite unterzubringen.« Sie beugte sich herunter und tätschelte den schnarchenden Moe. »Und dir gelingt es gleichzeitig, dein Leben zu führen.«
»In etwa.«
»Nein, du hast ein schönes Leben. Freunde, Familie, eine Arbeit, die dich befriedigt, ein Haus, einen dummen Hund. Ich bewundere das.« Sie richtete sich wieder auf. »Ich bewundere dich.«
»Wow. Gestern Abend muss es demzufolge richtig toll gewesen sein.«
»Ja. Ich erzähle dir später davon, aber ich möchte - wie sagt man - meine Spur nicht ablenken.«
»Die Spur verwischen.«
»Ja. Genau.« Sie trat über den Hund und legte die Hände auf Flynns Schultern. Ohne den Blick von ihm zu wenden, küsste sie ihn. Es war ein langer, warmer Kuss. »Danke.«
Seine Haut prickelte. »Wofür? Eventuell solltest du dich noch einmal bedanken, wenn es was richtig Gutes war.«
»Okay.« Sie schlang die Hände um seinen Hals und küsste ihn noch einmal, dieses Mal leidenschaftlicher.
Draußen, vor dem Büro, wurde applaudiert.
»Du liebe Güte, ich muss mir endlich Jalousien anbringen lassen.« Stattdessen versuchte er den psychologischen Ansatz, indem er die Tür schloss. »Ich bin gerne ein Held, aber möglicherweise solltest du mir sagen, welchen Drachen ich getötet habe.«
»Ich habe heute früh deine Kolumne gelesen.«
»Ja? Normalerweise sagen die Leute nur, gut gemacht, Hennessy, wenn ihnen meine Kolumne gefallen hat. Deine Art gefällt mir besser.«
»›Es ist nicht nur der Künstler mit Pinsel und Augenmaß, der das Bild malt‹«, zitierte sie. »›Wichtig sind diejenigen, die die Macht und die Schönheit, die Stärke und die Leidenschaft sehen, die durch Pinselstrich und Farbe lebendig werden. ‹ Danke.«
»Gern geschehen.«
»Jedes Mal, wenn ich mir Leid tue, weil ich nicht mitten unter Künstlern in Paris lebe, werde ich
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