Zeit der Träume
Ich grübelte, wen ich kenne, der ernsthaft Kunst sammelt und den ich als Quelle benutzen könnte. Mir fielen die Vanes ein. Also habe ich meinen alten Kumpel Brad angerufen. Und zufällig zieht er in ein paar Tagen her.«
»Brad kommt ins Valley zurück?«, fragte Dana.
»Er übernimmt die Leitung des örtlichen Hauptsitzes. Brad hat die Leidenschaft der Vanes für Kunst geerbt. Ich hatte kaum damit begonnen, ihm das Gemälde zu beschreiben, als er schon mit dem Titel rausplatzte. Glastöchter.«
»Unglaublich. Dann hätte ich doch auch schon davon gehört.« Malory sprang auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Wer hat es gemalt?«
»Das scheint niemand genau zu wissen.«
»Das ist nicht möglich«, wiederholte Malory. »Der Künstler ist ein so großes Talent, ich hätte bestimmt schon davon gehört oder mehr von seinen Werken gesehen.«
»Vielleicht nicht. Laut Brad scheint jedenfalls niemand Genaues über den Maler zu wissen. Zuletzt wurden die Glastöchter in einem Privathaus in London gesehen. Und dort wurde es, den Berichten zufolge, während des Blitzkrieges zerstört. 1942.«
8
Malory vergrub sich zwei Tage lang in ihrer Wohnung, um zu lesen, zu telefonieren und E-Mails zu verschicken. Es war dumm, sich der Angelegenheit von so vielen verschiedenen Blickwinkeln aus zu nähern, beschloss sie. Viel besser war es, die Suche systematisch mit Hilfe der Technologie anzugehen.
Im Chaos funktionierte sie nicht, da konnte sie einfach nicht denken. Deshalb hatte sie als Künstlerin auch versagt, gestand sie sich ein, während sie eine weitere Datei beschriftete.
Kunst, die Erschaffung wahrer Kunst, erforderte die geheimnisvolle angeborene Fähigkeit, im Chaos leben zu können. Jedenfalls war das ihre Meinung. Man musste in der Lage sein, viele verschiedene Formen und Emotionen gleichzeitig sehen, verstehen und fühlen zu können.
Und man musste natürlich genug Talent besitzen, um diese Emotionen auf die Leinwand bannen zu können.
Ihr fehlte dieses Talent in jeder Hinsicht - während der Maler der Glastöchter im Übermaß darüber verfügte.
Das Gemälde in Warrior’s Peak war der richtige Weg, davon war sie mittlerweile überzeugt. Warum sonst zog es sie ständig dorthin, und warum sonst war sie im Traum darin gewesen?
Und warum sonst wäre sie auserwählt worden, den ersten Schlüssel zu finden, wenn nicht wegen ihrer Kenntnisse und Kontakte in der Kunstwelt?
Man hatte ihr gesagt, sie solle innen und außen schauen. Im Gemälde oder einem anderen desselben Künstlers? Bedeutete außen, dass sie die Umgebung des Gemäldes prüfen musste?
Nachdenklich studierte sie den Ausdruck des Gemäldes. Was umgab die Töchter? Frieden und Schönheit, Liebe und Leidenschaft - und die Bedrohung, dass all das zerstört würde. Aber ebenso auch der Weg, alles wiederherzustellen.
Ein Schlüssel in der Luft, in den Bäumen, im Wasser.
Sie war sich absolut sicher, dass sie keinen Zauberschlüssel aus der Luft oder von einem Ast holen würde, was bedeutete es also? Und welcher der drei Schlüssel war der ihre?
Nahm sie es zu wörtlich? Frustriert rieb sie sich die Augen. Vielleicht bedeutete innen ja, dass sie in sich selber ihre emotionalen und intellektuellen Reaktionen auf das Gemälde erforschen sollte.
Wo die Göttin singt, überlegte sie und stand auf, um im Zimmer hin und her zu gehen. Im Traum hatte niemand gesungen. Aber der Brunnen hatte sie an Musik erinnert. Hatte es etwas mit dem Brunnen zu tun?
War Wasser ihr Schlüssel?
Sie drehte sich im Kreis.
Und sie hatte nur noch drei Wochen Zeit.
Erschreckt fuhr sie herum, als jemand gegen ihre Terrassentür klopfte. Draußen standen der Mann und sein Hund. Instinktiv fuhr sie sich mit der Hand über die Haare, die sie irgendwann heute Morgen zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Sie hatte sich weder damit aufgehalten, sich zu schminken, noch hatte sie die weite Baumwollhose und das Tank Top gewechselt, in dem sie geschlafen hatte.
Sie sah nicht nur nicht gut aus, sondern vermutlich absolut grauenhaft.
Als sie die Tür öffnete, fiel das offensichtlich auch Flynn sofort auf. »Süße, du brauchst frische Luft.«
Sie spürte förmlich, wie sich ihr Gesicht missmutig verzog. »Ich habe zu tun. Ich muss arbeiten.«
»Ja.« Er warf einen Blick auf die Papierberge auf ihrem Esszimmertisch, die hübsche Kaffeekanne und die Porzellantasse. Überall standen rote Plastikbehälter mit Bleistiften, Büroklammern und Post-Its.
Ein gläsernes
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