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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Polizisten sind nicht notwendigerweise ein Übel. Sie müssen nur wissen, auf welches Ziel sie die Gewalt richten sollen.
    – Genau das ist sein Problem, Nicola. Er weiß nicht, was das richtige Ziel ist. Er braucht einen … einen Führer …
    – Wahrscheinlich hat er ihn gefunden, leider.
    – Dantini?
    – Mastino. Die beiden sind wie füreinander geschaffen.
    Vielleicht täuschte er sich. Vielleicht war der Junge noch nicht völlig verloren.
    – Und noch etwas möchte ich sagen. Was Dantini mir gegeben hat … was er uns allen gegeben hat, gibt uns die Kraft, in seinem Sinne weiterzumachen.
    Marco verließ das Rednerpult. Tosender Applaus im Saal. Lupo fing Mastinos Blick auf. Er betrachtete Marco zufrieden, merkwürdig fasziniert. Lupo drehte sich zu Daria um. Sie hatte feuchte Augen. Lupo begriff, dass es Zeit war, ein paar Karten auf den Tisch zu legen.

6.
    Das große, auffällige Mädchen, das ein eng anliegendes, altmodisches Kleid trug, warf ihm einen schamlosen Blick zu. Marco sah sie an, schüttelte den Kopf und ging geradeaus weiter. Er hatte sich in der Vergangenheit auf genug Zwielichtiges eingelassen, er erkannte eine Transe auf den ersten Blick.
    Als er den eiskalten Wasserstrahl im Gesicht spürte, dachte er über den Vorschlag nach, den Mastino ihm gleich nach der Trauerfeier gemacht hatte,
    – Ich gehe zur Anti-Terror-Einheit, ich werde ein hohes Amt bekleiden. Ich brauche Leute mit Eiern. Ich möchte, dass du mitkommst. Komm nachher ins Blu Notte und sag ja.
    Mastino hatte nicht gesagt: „Überleg es dir.“ Mastino hatte vorausgesetzt, dass er zusagte. Marco hatte keine Antwort gegeben. Nach dem x-ten fehlgeschlagenen Rendezvous mit Monica Marino hatte er beschlossen, ins Blu Notte zu gehen. Es war klar, dass sie nicht füreinander geschaffen waren. Er dachte noch immer an Daria, und sie rauchte zu viel. Und der Schaumwein im Kühlschrank war warm und schmeckte nach Korken. Als es ihm endlich gelang, Mastino auf sich aufmerksam zu machen, sagte er zu ihm, er brauche etwas Zeit.
    – Wie viel?
    – Bis die Untersuchung abgeschlossen ist.
    – Die Untersuchung ist abgeschlossen, mein Sohn. Sag mir ja nicht, du hast mit diesem Arschgesicht Lupo gesprochen …
    Ein Salonbulle. Ein Wachhund der Staatsanwälte, die sich den Grundrechten verpflichtet fühlten. Eine Zecke, die als Bulle verkleidet war. Das war Lupo in Mastinos Worten. Ein Bürohengst, einer, der anständige Jungs in den Arsch fickte, menschlicher Abschaum.
    – Die Untersuchung ist abgeschlossen. Es war der Anarchist, Punktum. Aus. Und ich will dich bei mir haben. Bevor der Hahn kräht, damit wir uns richtig verstehen, möchte ich eine Antwort haben. Eine ganz bestimmte. Ein Ja.
    Aber er hatte nicht klein beigegeben. Die euphorische Stimmung, die in dem Lokal herrschte, hatte ihn wütend gemacht. Kaum war Dantini unter der Erde, feierten sie schon, ließen den neuen König hochleben. Das war nicht richtig.
    Er hörte, wie die Klotür aufging. Er hörte ihre raue, sinnliche Stimme.
    – Willst du mir nicht einmal sagen, wie du heißt?
    – Männer interessieren mich nicht. Auch wenn sie aussehen wie schöne Frauen.
    – Danke. Und gratuliere. Du hast einen guten Blick. Für gewöhnlich kommen sie erst drauf, wenn es zu spät ist.
    Die Transe lachte, hob den Rock und stellte sich ans Pissoir. Sie hatte ein schönes Lächeln, und ja, in gewisser Hinsicht, das musste Marco zugeben, war sie wirklich „ein schönes Mädchen“.
    – Sagst du mir wenigstens, woran du es gemerkt hast?
    Marco strich sich über den Adamsapfel. Sie nickte.
    – Ja, das ist das Einzige, was man nicht ändern kann.
    Sie machte eine beleidigte Schnute, dann zog sie einen kleinen Spiegel aus der lavendelfarbenen Tasche, zog sich die mit Silikon aufgespritzten Lippen nach, lächelte wieder.
    – Ist gut. Sagst du mir wenigstens deinen Namen?
    – Marco.
    – Freut mich, Marco. Ich bin Taxi.
    – Taxi?
    – Ja, wenn du Lust hast, eine Runde zu fahren. … ich bringe dich überall hin, sogar ins Paradies. Und für einen wie dich … läuft das Taxameter nicht.
    Sie hatte ein unkompliziertes Lächeln. Freundlich. Ansteckend. Die WUT grummelte. Früher einmal hätte sie ihm befohlen, ihr Gesicht zu Brei zu schlagen. Jetzt schämte er sich nur noch für sein damaliges Ich.
    – Danke. Keine Runde. Ich gehe ins Bettchen.
    – Was ist das für ein Loch auf deiner Stirn?
    – Vergiss es. Gute Nacht, Taxi.
    – Gute Nacht, Pistolenheld. Ich kann den Adamsapfel nicht

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