Zeit der Wut
in dem er rekrutiert worden war. Nur ein Wunder, ein echtes Wunder hätte den Lauf der Dinge ändern können. Aber das konnte Salah nicht wissen. Notdürftig von einer zerschlissenen Plane bedeckt, humpelte er über die Via della Bufalotta, die der Wolkenbruch in einen Sumpf verwandelt hatte. Hinter ihm in der Moschee hatte der Imam die Brüder aufgefordert, die Löcher zu stopfen und den Schlamm aufzuwischen. Sogar das Gebet hatte weniger lange gedauert als sonst.
Der Polizist mit dem schlechten Atem stand hinter einem grell bunten Smart.
– Verdammt, pass auf, du machst mich ja ganz dreckig.
– Nicht hier, Chef, das ist gefährlich, wenn ein Bruder rauskommt und uns sieht … Gute Nacht, Salah!
Mit einem vergnügten Lächeln ließ Perro den Motor an. Dieser Salah war ihm im Grunde nicht unsympathisch. Er machte keine Probleme, und hin und wieder gab er interessante Tipps. Als sie wegen Dantini mit dem Rücken zur Wand standen, hatten sie zum Beispiel mit seiner Hilfe ganz schnell diesen Anarchisten aufgetrieben, diesen Trottel. Salah war ein gutes Element. Solange er mitmacht, dachte Perro, ist er bei uns sicher.
– Gut so?
Im strömenden Regen des Wolkenbruchs waren sie zu dem überdachten Ikea-Parkplatz gelaufen.
– Schöne Sachen verkaufen die hier, lachte Salah.
Salah hatte in letzter Zeit viele Ausgaben …
– Das Übliche oder nichts, Affe. Und beeil dich, ich hab keine Zeit zu verlieren.
Salah mochte den Bullen mit dem schlechten Atem nicht. Der andere war ihm lieber, der, der die Befehle gab. Der war nicht so blöd und kannte den Wert einer Information. Deshalb wusste er, wann er großzügig sein musste. Aber der hier, darauf hätte Salah schwören konnte, bediente sich aus der Kasse, schnitt beim Haushaltsgeld mit. Noch nie hatte er mehr als dreihundert Euro auf einmal lockergemacht. Damit er sich später nicht den Vorwurf machen musste, er hätte sich eine Gelegenheit entgehen lassen, versuchte Salah noch einmal, den Preis zu erhöhen.
– Wirklich, Chef, so viele Ausgaben …
– Soll ich dir den Schädel einschlagen, du Arschloch?
– Schon gut, schon gut, Chef, reg dich nicht auf.
– Los, rede.
– Zwei Schiiten sind nach Rom gekommen, neue Gesichter.
– Na und?
– Nichts, einfach zwei neue Gesichter, ich dachte, das könnte interessant sein …
Später, nachdem Salah in der Spielhölle des Tunesiers Reoduane die hundert Euro abgelegt hatte, die er dem Arschloch mit dem stinkenden Atem doch noch entreißen hatte können, und während er zu Fuß die endlose Viale di Cinecittà hinunterging – zum Glück hatte es zu regnen aufgehört –, schwor er sich, dass er das nächste Mal direkt mit dem anderen Polizisten verhandeln und sein Ziel erreichen würde. Wenn alles so lief, wie er es sich vorstellte, würde er bald den letzten Coup landen, und dann ab nach Dubai. Deshalb hatte er Chef Perro nur einen Bruchteil von dem verraten, was sich gerade zusammenbraute.
2.
Das Geld, das er dem Fahrer des Geländewagens abgenommen hatte, investierte er in „ästhetische Chirurgie“. Guido erstand ein blaues Lacoste-T-Shirt und bequemere Jeans und entledigte sich der alten Kleider. An einem abgelegenen Springbrunnen vollendete er das Werk mit Shampoo und einer ernsthaften Rasur.
– Der klassische Junge von nebenan, berichtete einer der Polizisten, die zur Überwachung abgestellt waren.
– Hat er schon versucht, mit seinem Freund Kontakt aufzunehmen?
– Nein, aber er denkt entschieden darüber nach. Was sonst sollte er machen?
Daria fragte, ob man ihm helfen sollte.
– Entschuldige, aber wie?, fragte Lupo.
– Wir könnten eine zufällige Begegnung herbeiführen … wir nehmen Flavio unter dem Vorwand einer Kontrolle fest und sorgen dafür, dass die beiden …
– Jetzt übertreibst du aber! Er ist vielleicht jung, hysterisch und geil, aber so dumm ist er nun auch wieder nicht …
Guidos erster Gedanke galt Rossana, sie augenblicklich vor der Gefahr zu warnen. Er hielt sich nur deshalb zurück, weil er sich nicht sicher war, ob er die Verfolger abgeschüttelt hatte. Deshalb war er auch nicht sofort in die Wohnung in der Via delle Tre Madonne gestürzt, um sich ein wenig Geld zu holen. Vorsicht. Wachsamkeit. Unter anderen Umständen hätten die Widersprüche seiner augenblicklichen Situation den Filmstoff für eine
commedia all’italiana
abgegeben. Für die Polizei war Guido offiziell tot. Nun, nicht für alle Teile der Polizei. Sagen wir für die von früher, für die, die
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