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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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du gerade durchmachst.“
    Ich schüttelte wieder den Kopf.
    „Er ist ein kräftiger und gesunder Junge“, sagte er. „Pass auf ihn auf.“ Grinsend schaute er mich an. „Und sorg dafür, dass er nachts im Bett bleibt.“
    Er zog mich zu sich hin.
    „Es ist eine schwierige Zeit“, sagte er. „Alles in dir verändert sich. Die Welt kann einem gefährlich und merkwürdig vorkommen. Aber du wirst es überstehen.“
    „Haben Sie Ernie behandelt?“, fragte ich.
    Er zog seine Augenbrauen hoch.
    „Ernie Myers, der früher hier gewohnt hat.“
    „Ach“, sagte Doktor Tod. „Ja, Mr Myers war einer meiner Patienten.“
    „Hat er davon gesprochen, dass er Dinge gesehen hat?“
    „Dinge?“
    „Seltsame Dinge. Im Garten, im Haus.“
    Ich bemerkte, dass Papa wieder auf seine Lippen biss.
    „Mr Myers war sehr krank“, sagte Doktor Tod. „Er war todkrank.“
    „Das weiß ich.“
    „Und wenn das Bewusstsein sich dem Tod nähert, verändert es sich. Es … verliert seine Fassung.“
    „War es so bei ihm?“
    „Er sprach von bestimmten Erscheinungen, die ihn heimsuchten. Aber das tun viele meiner Patienten. Das ist nichts Außergewöhnliches.“
    Er hielt mich wieder mit seinen langen Fingern fest.
    „Ich glaube, du musst unbedingt mit deinen Freunden Fußball spielen“, sagte er. „Ich glaube, du solltest wieder in die Schule gehen.“ Er schaute Papa an. „Ja, ich glaube, er sollte wieder in die Schule gehen. Zu viel im Haus.“ Er tippte mir an den Kopf. „Dann denkst du zu viel, überlegst zu viel und machst dir zu viele Sorgen.“
    Er stand auf, und Papa ging mit ihm zur Tür. Ich hörte sie im Gang murmeln.
    „Morgen steht für dich wieder Schule auf dem Plan“, sagte Papa, als er zurückkam. Er versuchte heiter und locker zu wirken, aber er presste die Lippen zusammen und schaute mich an, und ich sah den ängstlichen Ausdruck in seinen Augen.
    „Es tut mir leid, Papa“, flüsterte ich.
    Wir hielten einander fest umarmt, dann sahen wir in die Wildnis hinaus.
    „Warum hast du das über Ernie gefragt?“, sagte er.
    „Weiß nicht“, sagte ich. „’ne blöde Idee.“
    „Ist es wahr, was du uns erzählt hast? Dass du schlafgewandelt bist?“
    Einen Augenblick wollte ich ihm alles erzählen: von Skellig, von den Käuzen, was Mina und ich in der Nacht getan hatten. Dann fiel mir ein, wie seltsam das klingen würde.
    „Ja“, sagte ich. „Es ist wahr, Papa.“

33
    Am nächsten Tag ging ich zur Schule. Rasputin begann die Stunde damit, mich willkommen zu heißen. Er sagte, ich hätte viel versäumt, aber er hoffe, ich könne es aufholen. Ich erzählte ihm, dass ich einiges über die Evolution gelernt und über den Archäopteryx erfahren hätte. Er zog die Augenbrauen hoch.
    „Glauben Sie, dass es in der Welt der Menschen so etwas wie den Archäopteryx gibt?“, fragte ich ihn.
    Er starrte mich an.
    „Menschen, die sich in Wesen verwandeln, die fliegen können?“, sagte ich.
    Ich hörte Coot hinter mir kichern.
    „Erzähl ihm von dem Affenmädchen“, sagte er.
    „Was ist das?“, fragte Rasputin.
    „Das Affenmädchen“, sagte Coot.
    Ich hörte Leakey zu ihm sagen, er solle den Mund halten.
    „Vielleicht gibt es Lebewesen, die noch affenähnlich sind“, sagte Coot. „Affenmädchen und Affenjungen.“
    Ich beachtete ihn nicht.
    „Unsere Knochen müssten sich mit Luft füllen“, sagte ich.
    Rasputin kam zu mir und zerzauste mein Haar.
    „Vielleicht wären auch Flügel ganz gut“, sagte er. „Aber ich sehe, dass du viel gelesen hast. Bravo, Michael. Und hör auf zu stören, Coot. Wir alle wissen, wer hier der Affenjunge ist.“
    Coot kicherte. Er quäkte wie ein Affe, als Rasputin sich umdrehte und wieder nach vorn ging. Rasputin sagte, wir hätten die Evolution jetzt abgeschlossen. Wir würden jetzt unser Inneres studieren: die Muskeln, Herz und Lunge, das Verdauungssystem, das Nervensystem, das Gehirn.
    „Komm wieder regelmäßig in die Schule, Michael“, sagte er. „Du möchtest doch nicht noch mehr versäumen.“
    „Nein“, sagte ich.
    Er rollte ein großes Schaubild auf, das einen aufgeschnittenen Menschen zeigte. Das Herz und die hellroten Lungenflügel waren freigelegt, Magen und Darm, die Verästelungen der Blutgefäße und Nerven, rötlich braune Muskeln und weiße Knochen, das blaugraue Gehirn. Er starrte uns aus Augenhöhlen an. Einige schauderten vor Ekel.
    „Dies seid ihr“, sagte Rasputin.
    Coot kicherte. Rasputin rief ihn nach vorn. Er tat, als ziehe er Coot die

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