Zeit des Zorn
Mango,
schwarzer Kaffee.
O lächelt glücklich.
Die Jungs schweigen, bis
Ben Chon über den Tisch hinweg ansieht, Daumen und Zeigefinger bis auf einen
Millimeter zusammenführt und sagt: »Wir sind so kurz vor schwul.«
Sie lachen eine halbe
Stunde lang.
Ein Schwanzkollektiv.
Im Radio lässt sich
irgendein Kurzwellen-Labersack endlos darüber aus, dass der neue Präsident
angeblich Sozialist ist, während ihn ein anderer Quasselkopf »verteidigt«.
Eine Auseinandersetzung,
so echt und choreografiert wie ein Wrestling-Match. Der Liberale in der einen
Ecke, der Konservative in der anderen - sie suchen sich einen Bösewicht aus,
wählen ihren Helden.
Ben mag den neuen PdVS,
weil er Gras geraucht, Crack geschnupft, drüber geschrieben
und ungeschoren davongekommen ist.
Niemand hat ihn
fertiggemacht.
Nicht
während der Vorwahlen, nicht im Wahlkampf, überhaupt nicht. Und warum? Weil er
schwarz ist. Das muss man einfach lieben.
Bei
allem Respekt vor Dr. King, denkt Ben, aber Lenny Bruce wäre am Tag der
Amtseinführung sicher der glücklichste Mann gewesen.
Paku dagegen war entsetzt, als Obama gewählt wurde.
Von wegen, was blüht uns
denn als Nächstes, ein Mexikaner?
Dann sieht wenigstens der
Rasen vorm Weißen Haus top aus, tröstete O sie.
»Ich hoffe, er ist Sozialist«, sagt Ben.
»Sozialismus funktioniert.«
Jedenfalls für Ben &
Chonny's.
Chon glaubt nicht an
Sozialismus.
Ebenso wenig wie an
Kommunismus oder Kapitalismus.
Der einzige »-mus«, an
den er glaubt, ist Orgasmus.
O, das heilige Gefäß
seines Glaubens, lacht.
»Was ist mit
Hedonismus?«, fragt Ben, der Spaß an dem Spiel hat, weil Chon einer der am
wenigsten hedonistischen Menschen ist, dem er je begegnet ist. Chon hat gerne
Spaß, kein Zweifel, aber er ist auch sehr diszipliniert, quält sich täglich,
indem er meilenweit über den Strand rennt, im Ozean schwimmt, tausend
Liegestütze und Situps macht und mit der blanken Faust auf Holzpfosten
einschlägt, bis Blut fließt (aus der Faust, nicht dem Pfosten).
»Nein, auch nicht an
Hedonismus«, erwidert Chon. »In meiner Welt gibt's nur den
Man-macht's-oder-man-macht's-nicht-mus.«
Weil, wenn's drum geht,
ob's einer gebacken kriegt, dann ist die Frage einfach nur
macht er's oder macht
er's nicht.
O kann dem nur beipflichten.
Sie ist froh, dass sie
zwei hat, die's machen. Und zwar ihr. »Nein, ich hab's«, sagt Ben.
»Nihilismus.“
»Nihilismus«, sagt Chon.
»Das könnte eine richtige Spur sein.«
Okay, das ist lustig,
denkt O.
Dann sagt Ben ...
»Ich glaube, wir sollten
einen kleinen Ausflug machen.«
Chon und er gucken total
verschwörerisch. Für zwei Dopedealer, denkt O, sind sie ganz schön
durchschaubar. Sie hätte sich von ihnen das Pokern beibringen lassen und ihnen
alles abknöpfen sollen, was sie besitzen.
»Wir?«, fragt O. So von
wegen, wer von uns ist »wir« ? Wir beide - in dem Fall, welche beiden - oder
wir drei?
»Wir drei«, stellt Ben
klar. »Neues Leben, neuer Anfang.«
»Fahren wir nach
Bolivien?«, fragt O.
»Ich denke eher an
Indonesien.«
Er kennt da so ein
hübsches kleines Dorf mitten im Ozean. Mit schönen und freundlichen Menschen.
Ben hat dort eine Klinik, eine Schule und eine Wasseraufbereitungsanlage gebaut.
Er hat plastische Chirurgen hingebracht, die die Kinder heilen. Die Männer in
dem Dorf - kleine, dünne Männer in Röcken - schleppen lange Krumsäbel mit sich
rum und lieben Ben.
»Indonesien?«,
fragt sie. »Indonesien«, sagt Ben. »Dann muss ich noch mal shoppen gehen.“
»Kauf
dir was richtig Cooles.“
»Ich
kaufe grundsätzlich nur cooles Zeug.“
»Nein,
ich meine richtig cool. Kühl. Was für heißes, feuchtes Klima«, sagt Ben.
»Ist
dein Reisepass noch gültig?“
»Denke
schon.«
Das denkt sie, weil Paku
ihren Reispass in ihrer Schreibtischschublade verwahrt, damit O nicht
abkackt und ihn verliert.
Oder irgendwohin fährt.
»Geh und hol deinen
Reisepass, kauf dir coole Klamotten, und dann treffen wir uns um fünf wieder
hier.“
»Coolie cool.«
Als O Paku
fragt, wie's so mit Eleanor läuft, guckt Paku sie seltsam verständnislos an.
»Eleanor?«, ruft ihr O in
Erinnerung. »Dein Life-Coach?«
»Jesus ist jetzt mein
Life-Coach.«
O-ha.
Es stellt sich heraus,
dass Paku einer Megachurch in Lake Forest beigetreten ist. Weil Paku nun mal
Paku ist, handelt es sich natürlich um die größte Kirche der Nation.
»Äh, weißt du irgendwas
über das Leben von Jesus, Mom?«, fragt O. »Hast du mal
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