Zeit des Zorn

»Es sei denn, das Baja-Kartell lässt eine Drohne oder
so was über uns kreisen. Dann sind wir gearscht. Allerdings würde ich die
Fernbedienung vom Fernseher erst mal nicht benutzen.«
    Nur um auf Nummer sicher
zu gehen.
    Ben fragt: »Was soll ich
machen, wenn ich dich >Scheiße< nuscheln höre?«
    »Auf die Entfernung? Gar
nichts mehr.«
    Unmittelbar danach werden
dir eine Menge existentieller Fragen beantwortet.
    Wie im richtigen Leben.
     
    Der Konvoi bewegt sich
über die gewundene Straße.
    Der Cajon Pass erinnert
an eine zusammengerollte Schlange. Richtig weit draußen in der menschenleeren
Wüste, meilenweit entfernt von allem, was für so was wie Zivilisation gehalten
werden könnte.
    Mondlandschaften auf
beiden Seiten der Straße.
    Gott muss einen massiven
Wutausbruch gehabt und mit Felsbrocken um sich geworfen haben, als wären es
Murmeln.
    Im Licht des
Morgengrauens leuchten sie rot.
    Der Widerschein erschwert
es Chon hoch oben auf dem gegenüberliegenden Abhang, sein Ziel mit der Barrett
anzuvisieren.
    Er hofft, dass Ben
kaltblütig genug ist, den Schalter umzulegen.
     
    Vorhut,
Geldauto, Nachhut. Escalade, Taurus, Suburban.
    Der Escalade fährt weit
voraus, vielleicht fünfzig Meter, der Suburban hängt direkt am Taurus dran.
    Ben
kauert zwischen den Felsen, nicht weit von der Straße. Fernsteuerung für
Modellflugzeuge in der Hand. Zwei Kippschalter.
    Sie waren die ganze Nacht
da draußen, haben Sprengsätze versteckt. Die Straße auf Google Earth genau
unter die Lupe genommen, die richtige enge Haarnadelkurve gesucht, nah genug an
den Felsen, die die Explosion dämmen und kanalisieren sollen.
    Asymmetrische
Kriegführung.
    Diesmal ist es keine
Selbstverteidigung, sondern eiskalter Mord.
    Die Männer in den Autos
dürften ziemlich entspannt sein. Sie kommen aus der flachen Wüste und hätten
jeden Wagen meilenweit gesehen, haben sie aber nicht.
    Da draußen ist nichts.
    Ben wartet.
    Seine Hand zittert.
    Ist es das Adrenalin,
oder sind es die Zweifel?
    Der Konvoi fährt in die
enge Serpentine ein.
    Chon nimmt ihn ins
Visier. Vor seinem geistigen Auge sieht er ...
    ... Taliban ...
    ...
die sich wie Skorpione durch eine ähnliche Landschaft bewegen sein eigener
Konvoi wurde in die Luft gejagt seine Kumpels blutüberströmt Jetzt bin ich
einer von denen Er visiert sein Ziel erneut an.
Keine Zeit für
    Fehlende
Posttraumatische Belastungsstörungen Er hofft nur, dass Der sanfte Ben
    Friede-Freude-Eierkuchen-Ben
Inzwischen auch einer von denen ist. Jetzt, Ben.
    Entdecke deinen inneren
Taliban.
     
    Ben späht über den ihn
schützenden Felsen hinweg und sieht die drei Fahrzeuge in die Kurve fahren.
    Die Autos selbst sind
nichts Besonderes - Fließbandware aus Plastik und Stahl, kleine Bunsenbrenner
der globalen Erwärmung. C0 2-Fußabdrücke eines Dinosauriers in verdorrter
Landschaft. Das sind Sachen, und Ben hat keine Gewissensbisse, was Sachen
angeht (»wir sind geistige Wesen in einer materiellen Welt«). Er versucht, sich
einzureden, dass es nur Sachen sind, aber er kennt die Wahrheit - da drin
sitzen Menschen.
    Lebewesen mit Familien,
Freunden, Hoffnungen und Ängsten.
    Anders als die Fahrzeuge,
in denen sie sitzen, empfinden sie Schmerz und Leid.
    Die
er ihnen zufügen wird. Zeigefinger und Daumen am Schalter. Eine einfache
Muskelanspannung, aber Es gibt keinen »Rückgängig«-Knopf. Kein
Control-Alt-Delete Ben denkt an Selbstmordattentäter Mord ist Selbstmord für
die Seele. Er nimmt die Hand von der Konsole.
     
    Jetzt,
Ben, denkt Chon. Jetzt oder nie. Jetzt oder überhaupt nicht.
    Noch zwei Sekunden, und
der Augenblick wird verstrichen sein.
    Ben legt den Schalter um.
    Eine Riesenflamme, und
der erste Wagen springt seitlich von der Straße.
    Zerfetzt.
    Das
Geldauto beschleunigt, um noch auszuweichen, aber Chon betätigt den Abzug der
Barrett Model 90 und Das Gesicht des Fahrers verschwindet, rot (blutrot) im
Licht des Sonnenaufgangs, dann
    Lehnt sich der Beifahrer
rüber und packt das Steuer, während Chon den Bolzen zurückschiebt, nachlädt,
zielt und ein großes hässliches Loch in die Brust des verhinderten Helden
schießt. Dann rollt der Wagen gegen die Felsen, bleibt stehen und geht in
Flammen auf.
    Männer mit Gewehren
springen aus dem letzten Wagen, aber Ben legt den zweiten Schalter um, und
    Die Überreste des
Escalade werden zur Splitterbombe, zerreißen, zerfetzen, töten, und was danach
noch übrig bleibt
    Übernimmt Chon.
    Die Überlebenden der
Explosion - verdattert, geschockt und