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Zeit für mich und Zeit für dich

Zeit für mich und Zeit für dich

Titel: Zeit für mich und Zeit für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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Nicola dagegen wird in ihrer Gegenwart noch ordinärer und vulgärer, weil es ihm Spaß macht, sie zu provozieren. Kein Detail lässt er aus, so dass es sogar mir manchmal zu viel wird. Obwohl er mich oft zum Lachen bringt.
    Neulich fragte Giulia, ob ich eine Handcreme hätte, und ich meinte, sie liege im Bad. Als sie zurückkam und die Creme auf ihren Händen verteilte, sagte sie: »Der Geruch von Nivea erinnert mich immer an den Sommer.«
    »Mich eher an Analverkehr«, warf Nicola ein. »Schau mich nicht so an, manchmal hatte ich eben nichts anderes zur Verfügung. Wenn ich Nivea rieche, kriege ich eine Erektion. Ist einfach ein pawlowscher Reflex.«
    Nie werde ich Giulias angewidertes Gesicht vergessen.
    Nicola provoziert und stichelt gern, er mag es, andere aus der Reserve zu locken. Auch als ich sie kennenlernte, also die Frau, die mich verlassen hat und die in sechs Wochen heiraten wird, fragte er mich sofort, ob ich sie schon gevögelt hätte, und wir haben uns sogar ein wenig gezankt, weil ich nicht darüber reden wollte. Überhaupt habe ich nie viel über sie gesprochen. Ich weiß nicht, warum. Ebenso wie ich nicht weiß, warum sie mir eigentlich so sehr fehlt, wo ich doch in der letzten Phase unserer Beziehung ziemlich gelitten habe.
    [55]  Die Liebesgeschichte mit ihr war die wichtigste meines Lebens. Wir wohnten zusammen, begriffen aber irgendwann, dass das Zusammenleben uns eigentlich schadete: unserem Leben, unserer Beziehung und auch uns selbst. Das Zusammenleben machte schlechtere Menschen aus uns. Immerhin haben wir es geschafft, uns das einzugestehen. Anstatt zu lügen, um uns gegenseitig nicht zu verletzen, haben wir darüber gesprochen. Wir wollten uns beide nichts vormachen.
    Wir konnten uns zwei getrennte Wohnungen leisten und waren quasi schon in der Auflösung unseres gemeinsamen Haushalts begriffen, um unsere Beziehung zu retten. Wir wollten nichts überstürzen, aber gerade deshalb trennten wir uns schließlich ganz.
    Das heißt, sie trennte sich von mir, wenn man’s genau nimmt.
    Manchmal kamen Zweifel in uns hoch. Das ist normal, denke ich. All unsere Freunde lebten zusammen, nur wir waren irgendwie anders. Das beunruhigte uns, auch wenn wir überzeugt waren, dass einige von ihnen sich wohl eher gegenseitig ertrugen, als dass sie sich liebten.
    Unsere eigentliche Krise kam, als wir begannen, über Kinder zu sprechen. Kann man gemeinsam ein Kind bekommen und doch in getrennten Wohnungen leben? Zusammen zu sein, ohne zusammenzuwohnen, erschien uns als ideale Lösung, aber mit Kind?
    Uns beiden war es wichtig, auch mal allein zu sein, ohne den anderen. Dadurch wahrten wir unsere Unabhängigkeit. Unsere Freunde machten oft nicht den Eindruck, besonders zufrieden zu sein. Glücklich wäre [56]  vielleicht auch zu viel verlangt gewesen, aber sie waren nicht mal zufrieden. Alle sagten, die Kinder seien ihr Ein und Alles, das einzig wirklich Schöne im Leben. So als wäre die Beziehung der Preis, den man für die Fortpflanzung zahlen muss.
    Die Freunde, die Kinder hatten, meinten, wir könnten das nicht verstehen. Selbst wenn sie vorher von Unsicherheiten geplagt wurden, waren sie binnen Monaten nach der Geburt eines Kindes plötzlich die Weisheit in Person und gaben vor, alles über das Leben zu wissen. Egal, worum es ging, sie sahen einen von oben herab an und sagten: »Das verstehst du nicht, dazu musst du erst selbst Kinder haben.«
    Darüber konnten wir nur lachen. Zu sehen, wie nahtlos sie auf die andere Seite wechselten, wie schnell sie den Text ihrer neuen Rolle beherrschten, amüsierte uns so sehr, dass wir selbst diese hohle Phrase anbrachten, wo es nur ging:
    »Möchtest du ein Glas Wasser?«
    »Ja, gern.«
    »Es ist sehr wichtig, genug zu trinken. Aber das kannst du natürlich erst verstehen, wenn du selbst Kinder hast.«
    Keiner unserer Freunde war durch Heirat oder Kinder ein erfüllterer, besserer Mensch geworden. Ihre vielbeschworene Liebe war ein Kompromiss, eher Pflicht als Verlangen, eher ein »Lass gut sein« denn ein Dialog. Zusammen blieben sie meist nur wegen der Kinder oder aus Angst vor dem Alleinsein, nur selten, weil sie es wirklich wollten.
    Schließlich beschlossen wir, es trotzdem zu versuchen. [57]  Wir waren drauf und dran, unsere gemeinsame Wohnung aufzugeben und ein Kind zu bekommen, als ich mich plötzlich der Situation nicht mehr gewachsen fühlte und einen Rückzieher machte.
    Ich war noch nicht bereit, Vater zu werden.
    Mein Leben war bis dahin sehr

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