Zeit für mich und Zeit für dich
der Schule nach Hause gegangen und dann, frisch geduscht und gegelt, losgezogen, um in der Geburtsstation eines Krankenhauses Mädchen aufzureißen… Aber ich bin verrückt nach ihr, und sie weiß das. Weißt du, wie oft ich sie in der Nacht vom Schlafen abhalte?«
»Was, du kannst noch die ganze Nacht vögeln? Du Glücklicher.«
»Nein, nicht mit Vögeln… Ich schnarche.«
»Also, du bist vielleicht ein Blödmann…«
[196] »Egal – übrigens, ich muss noch was Wichtiges mit dir besprechen. Das hatte ich schon eine ganze Weile vor.«
»Das ist ja mal ganz was Neues. Muss ich mich auf was gefasst machen? Ich weiß nicht, ob ich noch so eine schlechte Nachricht verkrafte.«
»Ja, vielleicht müssen wir auf was gefasst sein. Alle beide. Ich habe nämlich eine wichtige Entscheidung getroffen.«
»Dass wir endlich kündigen und den Ferienbauernhof aufmachen?«
»Nee, das noch nicht.«
»Dann sag schon.«
»Hast du diese einsamen Männer vor Augen, wie man sie manchmal auf Partys sieht, die deprimiert und betrunken und mit gelockerter Krawatte dasitzen und mit der Zigarette Löcher in Ballons brennen?«
»Ja, hab ich… Aber was willst du mir damit sagen?«
»Neulich kam mir der Gedanke, dass ich auf keinen Fall so enden will wie diese jämmerlichen Gestalten.«
»Das ist doch absurd.«
»Nein, das ist nicht absurd. Ich lebe so, als wäre immer Party, und ich hab Angst, dass die Party eines Tages zu Ende ist und alle liebenswerten, interessanten Menschen schon mit jemand anders fortgegangen sind, während ich allein zurückbleibe und Ballons platzen lasse. Deshalb habe ich beschlossen, mein Leben zu ändern, deshalb habe ich eine wichtige Entscheidung getroffen.«
»Sag mir nicht, dass du nun endlich vernünftig werden willst!«
[197] »Ich habe Sara gefragt, ob sie mit mir zusammenleben will.«
»Wow! Und das ist dir einfach so eingefallen? Bei dem Gedanken daran, wie du einsam und besoffen dasitzt und Ballons platzen lässt?«
»Nein, eigentlich hat sie mich davon überzeugt.«
»War das mit dem Zusammenziehen ihr Vorschlag?«
»Nicht direkt. Was mich überzeugt hat, ist, wie sie mir gegenüber ist, wie sie mit mir spricht, wie ich mich mit ihr fühle. Du weißt ja, dass ich nie Verantwortung für eine andere Person übernehmen wollte. Darin bin ich wie du. Wir verlangen nichts von anderen, damit die anderen nichts von uns verlangen. Eines Abends wollte ich, dass sie sich von mir trennt, mich für immer verlässt. Ich wollte sie loswerden und hab ihr eine SMS geschrieben, sie solle keine Zeit damit verschwenden, sich mit einem wie mir abzugeben.«
»Und was hat sie geantwortet?«
»Sie hat mir eine Nachricht geschickt, die so lang war, dass beim Lesen immer noch mehr nachkam. Da stand so ungefähr: Du musst mich nicht vor dir beschützen. Du denkst, ich wäre noch ein Kind, und vielleicht hast du sogar recht. Du musst aber auch aufpassen, ich könnte dich nämlich genauso enttäuschen wie du mich. Dieses Risiko müssen wir eingehen. Wenn einer von uns beiden nicht mehr will, ist es richtig, dass er geht. Du hast aber nicht alle Schotten dichtgemacht. Jedenfalls erlebe ich dich nicht so. Ich liebe dich. Das ist das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß. Das Einzige, was für mich zählt. Falls du mich verlassen willst, weil du meiner [198] überdrüssig bist, dann sag es mir gleich. In diesem Fall wäre es tatsächlich reine Zeitverschwendung, noch länger zusammenzubleiben.«
»Und was hast du ihr darauf geantwortet?«
»Ich hab sie abgeholt, und sie hat bei mir geschlafen. In der Nacht ist mir aufgegangen, dass ich mit ihr zusammenleben will. Dir ging’s ja genauso, vor ein paar Jahren.«
»Nimm mich bloß nicht als Vorbild… so, wie es ausgegangen ist!«
»Genau darum mache ich es aber: Wenn sie nicht die Richtige für mich ist, dann merke ich das gleich. Das Zusammenleben beschleunigt die Sache.«
»Also, das klingt ja nicht sehr optimistisch. Man könnte es auch andersrum ausdrücken: Du machst das, weil du ein paar Tage gewonnen hast, falls sie die Richtige ist…«
»Das kannst du drehen, wie du willst…«
»Und wann hast du sie gefragt?«
»Vor ein paar Wochen.«
»Was, und das sagst du mir erst jetzt?«
»Ich wollte erst ihre Antwort abwarten. Hätte sie nein gesagt, hätte ich es dir gar nicht erzählt.«
»Also hat sie ja gesagt.«
»Ja.«
»Mann, was faselst du denn ewig rum über traurige Gestalten auf irgendeiner Party? Warum gibst du nicht einfach zu, dass du
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