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Zeit für mich und Zeit für dich

Zeit für mich und Zeit für dich

Titel: Zeit für mich und Zeit für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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eine Frau erst lang und breit überreden, damit sie mit einem ausging, dann musste man jede Menge über sich erzählen, stundenlang reden und dabei möglichst dick auftragen. Heute, im Zeitalter der SMS , kannst du sofort eine Beziehung herstellen und ihr eine Vorstellung davon vermitteln, was für ein Typ du bist. Wenn du dann zum ersten Mal mit ihr essen gehst, [193]  hast du schon eine Weile mit ihr gesimst und weißt schon mehr oder weniger, mit wem du es zu tun hast. Essengehen ist heutzutage das Finale, kein Qualifikationsspiel mehr.
    Allerdings muss man dazu die SMS -Sprache beherrschen, die viel mehr ist als das, was man da eintippt. Wer die Psychologie der Kurzmitteilung nicht kennt, riskiert, dass es erst gar nicht zum Abendessen kommt, weil man schon aussortiert wird, bevor es überhaupt losgeht. Vieles hängt von Nuancen ab. Von der Uhrzeit zum Beispiel. Eine Nachricht mitten in der Nacht oder ganz früh am Morgen gibt Anlass zu einer ganzen Reihe von Spekulationen: »Beim Aufwachen hat er als Erstes an mich gedacht«, oder: »Kurz vorm Einschlafen hat er an mich gedacht.« Auf solche Details achten Frauen besonders. Von entscheidender Bedeutung ist auch die Häufigkeit. Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht zu oft oder zu selten schreibt, weil man dann, ehe man sich’s versieht, entweder als zu uninteressiert gilt oder aber als nervig, aufdringlich, unsicher. Wichtig ist zudem, wie viel Zeit man sich lässt, bevor man antwortet, und fundamental schließlich ist, inwieweit eine Nachricht Interpretationsspielraum lässt. Da schreibt man womöglich eine SMS , die ironisch gemeint ist, aber der andere versteht sie falsch und schickt eine erboste Antwort.
    »Du führst dich auf wie ein Jugendlicher«, sagte ich zu Nicola.
    »Das gebe ich gern zu. Ich bin ja schon fast vierzig, und Sara ist erst fünfundzwanzig, aber sie gefällt mir immer besser. Ich amüsiere mich bestens mit ihr, sie ist [194]  sympathisch und intelligent. Und außerdem ist sie für ihr Alter ziemlich reif, sie ist keine von denen, die ohne Punkt und Komma reden und einen nicht zu Wort kommen lassen. Deine Freundin Giulia…«
    »…die auch deine Freundin ist…«
    »Ich weiß, jedenfalls hat Giulia vor ein paar Tagen den Satz abgelassen, den alle Frauen sagen, wenn es um eine Jüngere geht: ›Kannst du mir mal erklären, was du mit deinen vierzig Jahren einer Zwanzigjährigen zu sagen hast?‹«
    »Und was hast du ihr geantwortet?«
    »Also erstens bin ich sechsunddreißig und keine vierzig, und sie ist nicht zwanzig, sondern fünfundzwanzig. Und zweitens bin ich gern mit ihr zusammen, weil sie noch alle Möglichkeiten hat, das Leben liegt noch vor ihr. Sie hat noch gar keine klare Vorstellung davon, was sie werden will. Ich dagegen bin in einer gefährlichen Phase, ich merke, wie ich langsam so werde wie die Hauptfigur in Tod in Venedig: Ich fühle mich zu Schönheit und Jugendlichkeit hingezogen, die bei mir langsam dahinschwinden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Freude es mir macht, ihr Bücher oder Filme zu empfehlen, die sie noch nicht kennt und von denen ich weiß, dass sie ihr bestimmt gefallen und sie auf irgendeine Art beeinflussen werden – wie mich in ihrem Alter. Oder wenn ich ihr beim Sex etwas Neues zeige und merke, dass es ihr gefällt und Lust bereitet. Mit jüngeren Frauen ist alles leichter, unbeschwerter. Es gibt eine Menge Dinge, die ich mit ihr unternehmen kann, wir können sogar in billige Restaurants gehen, wo auf der [195]  Speisekarte die Gerichte einzeln abgebildet sind. Außerdem gehört sie zu einer Generation, die weniger Glück gehabt hat als wir und der man in vielen Beziehungen helfen muss: Sie reden schlecht, sie essen schlecht, sie vögeln schlecht, und die Drogen, die sie nehmen, sind auch schlecht. Und unter uns, auch wenn das nichts zur Sache tut, Sara hat keine Impfnarbe auf der Schulter, kannst du dir das vorstellen?«
    »Vermutlich hat sie auch keine Ahnung, was ein C64 ist?«
    »Nein.«
    »Und sie hat auch noch nie so einen phosphoreszierenden Schlüsselanhänger gesehen, in Form einer Telefonschnur?«
    »Vermutlich nicht, höchstens, als sie klein war. Zwölf Jahre Altersunterschied, das bedeutet, dass sie geboren wurde, als wir schon in die Mittelstufe gingen. Weißt du noch, wie wir in dem Alter samstagnachmittags in der Stadt immer auf und ab spaziert sind, um Mädchen anzubaggern? Und unsere ersten Liebeleien? Aus heutiger Sicht könnte man meinen, wir wären damals von

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