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Zeit für mich und Zeit für dich

Zeit für mich und Zeit für dich

Titel: Zeit für mich und Zeit für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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nicht fassen. Ich hatte geglaubt, dass es für sie keine Rolle spielte, wen sie nach mir kennenlernte, so wie die Frauen, mit denen ich mich traf, für mich eine wie die andere waren. Wir beide waren doch füreinander bestimmt, es war klar, dass sie keinen je wieder so lieben würde, wie sie mich geliebt hatte. Verdammt noch mal, und außerdem heiratet man nicht, wenn man sich kaum ein Jahr kennt! Da wartet man doch erst einmal ab, bis man sich besser kennt, und übereilt nichts, sonst bereut man es noch.
    An dem Abend, als Nicola mir von der anstehenden Hochzeit erzählte, tat ich so, als wär nichts, doch sobald er gegangen war, versuchte ich sofort, sie anzurufen. Ich wollte ihr sagen, dass ich es ernst meine, dass sie auf [207]  gar keinen Fall einen anderen heiraten dürfe, dass ich bereit sei, mit ihr zusammenzuleben und ein Kind zu haben. Aber sie ging nicht ran. Das Telefon klingelte ins Leere. Bestimmt ging sie nicht ran, weil er da war, bestimmt lagen sie engumschlungen im Bett, nach dem Sex, und malten sich ihre gemeinsame Zukunft aus. Meine blühende Phantasie hat mir im Leben schon oft geholfen, aber unter bestimmten Umständen ist sie einfach niederschmetternd.
    Die ganze Nacht brachte ich damit zu, nackt durch die Wohnung zu tigern. Ab und zu blieb ich stehen, um aus dem Fenster zu schauen, aber ich nahm nichts wahr. Am darauffolgenden Morgen, bevor ich Nicola bat, mich zu begleiten, um mir das Gesicht von diesem Scheißingenieur anzusehen, erhielt ich eine SMS von meinem Vater, die alle meine Erwartungen übertraf: danke für alles was du für mich getan hast ciao.
    Eigentlich hätte diese Nachricht mich glücklich machen müssen, aber sie stürzte mich nur in noch größere Verwirrung. Ich weiß nicht, was in meinem Kopf falsch läuft.
    Endlich war mein Vater da. Die Dinge konnten sich also entwickeln, ja sogar verändern. Nun hätte ich mir einen Ruck geben, mich bedanken und ihm zu verstehen geben müssen, dass mir klargeworden war, was er alles für mich getan hatte, aber ich schaffte es nicht. Es war noch nicht der richtige Augenblick, mir fehlten die richtigen Worte und der Mut dafür. Es ging mir schlecht, weil sie heiratete, und ich fand nicht die richtigen Worte für meinen Vater.
    [208]  Ausgerechnet in diesen Tagen erfuhr ich, dass er uns womöglich für immer verlassen würde. Ich war im Begriff, die Menschen zu verlieren, die ich am meisten liebte. Meinen Vater und sie.

[209]  Sie (die schönste Frau der Welt)
    An einem Samstagnachmittag im Winter gingen wir nach dem Mittagessen ins Bett. Ich erinnere mich an die braunen Laken und die eingeschalteten Nachttischlämpchen. Es herrschte Stille. Draußen goss es. Man hörte nur das Geräusch des Regens, der gegen die heruntergelassenen Rollläden trommelte. Wir liebten uns und schliefen dann ein.
    Als ich aufwachte, machte ich Kaffee und brachte ihn ihr ans Bett. Bevor ich sie weckte, sah ich ihr eine Weile beim Schlafen zu: wie sie atmete, wie sie die Hände unter dem Kopfkissen vergraben hatte. Wie war das möglich, dass sie ganz allein für mich da war? Ich setzte mich auf die Bettkante und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Sie schlug die Augen auf, und ich küsste sie auf die Stirn.
    Sie setzte sich auf, ihr Gesicht war ganz zerknittert, wie sie es gar nicht mag. Darin sind wir uns nicht einig, für mich ist dieses Gesicht nämlich das allerschönste. Es rührt mich, ich weiß gar nicht, ob ich sie ohne dieses Aufwachgesicht überhaupt lieben könnte.
    Ich schlüpfte zurück ins Bett. Als sie den Kaffee ausgetrunken hatte, kuschelte sie sich wieder an mich, und wir lagen eine Weile Arm in Arm, während sie mir den Kopf streichelte.
    [210]  Es sind diese kleinen wunderschönen Erinnerungen, die mich weiterhin an sie binden. Sie halten mich gefangen.

[211]  Das Licht des Morgens
    Es gibt Augenblicke, da bin ich plötzlich wie losgelöst, in einer Art abstraktem Schwebezustand, als wäre ich aus der Zeit gefallen. In solchen Momenten spüre ich, wie mich etwas Unsichtbares streift, wie ein Flügelschlagen oder ein vorbeifliegender Engel. Ein Augenblick, der rasch vergeht, aber kurz Wirklichkeit ist. Als wenn alles um mich herum plötzlich stillstände.
    Diese Empfindung kann ich nicht steuern, sie überkommt mich einfach. Meist frühmorgens oder bei Sonnenuntergang. Es sind die Augenblicke, in denen ich am empfindlichsten bin, in denen mir auch Kleinigkeiten auffallen und sich Gehör verschaffen. Im Sommer, wenn das Blau des

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