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Zeit für mich und Zeit für dich

Zeit für mich und Zeit für dich

Titel: Zeit für mich und Zeit für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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Perlenkette – sie war hinreißend. Ich erstarrte, nie wäre ich auf die Idee gekommen, sie ausgerechnet hier zu treffen. Sie, die Frau, die mich verlassen hat und bald einen anderen heiratet. Die Frau, die ich liebe.
    Sie ging vor mir her und bog links ab. Schnell machte ich kehrt, wechselte den Gang und ging ihr entgegen, während ich so tat, als hätte ich sie nicht bemerkt. Auf der Hälfte des Ganges entdeckte sie mich.
    »Lorenzo«, sagte sie erstaunt.
    »Oh, ciao«, erwiderte ich und gab mir Mühe, ebenso überrascht zu klingen. »Was machst du denn hier?«
    Keine besonders intelligente Frage, in einem Supermarkt, mit einem Einkaufskorb in der Hand.
    »Einkaufen.«
    »Ich auch.«
    »Das dachte ich mir fast… Wie geht’s?«
    »Na ja… gut… und dir?«
    »Auch gut, danke.«
    [235]  »Unglaublich, es ist das erste Mal, dass ich hier einkaufe. Ich war gerade in unserer Eisdiele.« Das Wort »unsere« klang befremdlich und verwandt zugleich. »Ich hab neulich versucht, dich anzurufen.«
    »Ich weiß… Ich habe dir doch schon vor einiger Zeit gesagt, du sollst mich nicht mehr anrufen.«
    »Warum bist du nur so sauer auf mich?«
    »Ich bin nicht sauer.«
    »Und warum weichst du mir dann aus?«
    »Nicht, weil ich sauer bin, ich will einfach nicht mehr. Ich gehe nicht davon aus, dass du einfach nur wissen willst, wie es mir geht.«
    »Doch, schon… Aber vor allem rufe ich an, weil ich gewisse Dinge mit dir besprechen möchte.«
    »Genau das ist der Grund, weshalb ich nicht abnehme.«
    »Das verstehe ich nicht. Ich bin immer noch ich, warum behandelst du mich so? Ich bin doch kein Fremder.«
    »Das ist es ja gerade.«
    »Ich möchte nur eine Sekunde mit dir reden.«
    »Alles, was ich dir zu sagen habe, habe ich dir schon vor zwei Jahren gesagt. Ich bin nicht sauer auf dich, und ich will weder knallhart erscheinen, noch will ich mich rächen. Mit Rache hat das nichts zu tun, es ist nur einfach so, dass mich das, was du mir sagen willst, nicht mehr interessiert. Schnee von gestern.«
    »Aber es ist wichtig, das musst du mir glauben… Es geht um uns.«
    »Für dich ist das wichtig, Lorenzo… Außerdem existiert dieses ›wir‹ nicht mehr.«
    [236]  »Aber hör mich doch wenigstens einmal an.«
    »Wirklich, glaub mir… Ich will nicht, dass du denkst, ich wäre sauer oder sonst was, für mich ist es nur einfach so, dass die Geschichte abgeschlossen ist. Wenn du damit nicht zurechtkommst, tut es mir sehr leid. Ich möchte nicht, dass es dir schlechtgeht. Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich nicht rangehe, wenn du anrufst: weil es mir, obwohl inzwischen viel Zeit vergangen ist und zwischen uns nichts mehr läuft, immer noch leidtut, wenn ich höre, wie es um dich steht.«
    »Du fehlst mir… Ich möchte, dass du zu mir zurückkommst. Wirklich.«
    Sie sah mich etwas länger an als bisher. Ihre Lippen verzogen sich zu einer Grimasse, vielleicht hatte sie ein Lächeln andeuten wollen.
    »Wie geht’s deinen Eltern?«
    »Lenk nicht ab.«
    Sie schwieg ein paar Sekunden, sah mich aber immer noch an. »Du bist einfach unglaublich.«
    »Was?«
    »So machst du das immer. Da versuche ich mühsam, mir ein neues Leben aufzubauen, und dann kommst du und machst alles zunichte. Das war doch schon mal so – und jetzt kommst du schon wieder daher.«
    »Aber diesmal ist es anders.«
    Sie sah mich an und sagte nichts. Ich wusste, was sie dachte. Ich dachte es auch. Ich hatte das schon zu oft gesagt. Sie lächelte zärtlich. Sie war nicht verärgert oder gekränkt. Sie war gelassen. Und in diesem Augenblick hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, sie endgültig [237]  verloren zu haben. All meine Beteuerungen, die ich noch hätte vorbringen wollen, blieben mir im Hals stecken.
    Offenbar stand mir die Traurigkeit ins Gesicht geschrieben, denn sie sah mich mitleidig an und sagte: »Wenn du willst, können wir nach dem Einkaufen einen Kaffee zusammen trinken.«
    Ich nickte, und wir verließen den Supermarkt. Ich brachte kein Wort mehr heraus. Ihre Gelassenheit verwirrte mich. Nach der anfänglichen Überraschung schien sie die Ruhe selbst zu sein. Sie hatte kein falsches Wort gesagt, ihre Stimme hatte nicht gezittert. Als beträfe sie das Ganze nicht. Jedenfalls nicht besonders. Sie schien unsere Geschichte hinter sich gelassen und endgültig abgehakt zu haben.
    Die Überzeugung, dass sie zu mir und ich zu ihr gehörte, existierte offenbar nur in meinem eigenen Kopf, das wurde mir in diesem Augenblick klar. Alles war

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