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Zeit für mich und Zeit für dich

Zeit für mich und Zeit für dich

Titel: Zeit für mich und Zeit für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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richtigen Zeitpunkt ankam, Papa? Und du hast dich immer geweigert, zur Untersuchung zu gehen…«
    »Du hast recht.«
    Wir fuhren nach Hause. Meine Mutter war überglücklich und umarmte mich sofort überschwenglich.
    »Ihn solltest du umarmen.«
    »Ja, ja, ich weiß, aber du musst dich auch umarmen lassen.«
    Ich aß mit ihnen zu Mittag. Es war das köstlichste Mittagessen meines Lebens. Ich erklärte meiner Mutter, was zu tun war, die Termine und alles andere: »Aber wenn die Operation ansteht, komme ich natürlich her.«
    Mittlerweile wollte ich möglichst oft in Vaters Nähe sein. Trotzdem hatte ich nach dem Essen das Bedürfnis zu gehen. Ich musste allein sein und verabschiedete mich. Meine Mutter machte sich an den Abwasch, und mein Vater und ich verließen gemeinsam die Wohnung: Er ging in den Keller, ich stieg ins Auto.
    Nicola und Giulia hatte ich schon angerufen, um ihnen die frohe Botschaft mitzuteilen. Ich fuhr schweigend, mit offenem Fenster. Ich wollte den Himmel sehen, den ich zuvor nicht gesehen hatte, und ein bisschen frische Luft atmen.

[245]  Wir
    Sie, die Frau, die mich verlassen hat und bald einen anderen heiraten wird, schaut sich in meiner Wohnung um, und ich sehe ihr dabei zu, beobachte ihren Gang, der mir so vertraut ist, beobachte ihre Hände, die kurz den Türrahmen berühren, bevor sie ein Zimmer betritt.
    »Möchtest du ein Glas Wasser?«
    »Ja, bitte.«
    Ich gehe in die Küche und merke, wie aufgeregt ich bin. Als ich das Wasser eingieße, klingelt ihr Handy. Mich überfällt die Angst, dass unser Augenblick zerstört werden könnte. Sie schaut auf das Handy, geht aber nicht ran, sondern stellt den Ton ab: Das Handy klingelt weiter, doch man hört es nicht mehr. Es blinkt, das ist alles.
    Mir entschlüpft ein: »Ist er das?«
    »Ja.«
    »Willst du nicht antworten? Ich kann nach drüben gehen, wenn du dich gestört fühlst.«
    »Ich rufe ihn später zurück.«
    Wie mich das ärgert, dass dieser Scheißingenieur sie anruft. Wie mich das wütend macht, dass er jetzt ihr Mann ist. Ich weiß nicht, ob er in diesem Augenblick genervt ist, weil sie nicht rangegangen ist. Mich jedenfalls hat sein Anruf schwer aus der Fassung gebracht.
    [246]  »Ist er eifersüchtig?«
    Sie gibt keine Antwort und wechselt das Thema. Das mit den Pflanzen hätte ich ja ganz gut drauf jetzt.
    »Mein Vater hilft mir.«
    »Dein Vater?«
    »Ja, er ist extra vorbeigekommen, um sie wieder aufzupäppeln. Auch jetzt kommt er ab und zu vorbei, um nach ihnen zu sehen.«
    Ich schaue ihr beim Trinken zu und kann mich gar nicht sattsehen. »Du siehst gut aus, wirklich toll… wie immer.«
    Sie setzt sich aufs Sofa. Ohne etwas zu sagen.
    »Hast du gar keinen Fernseher mehr?«
    »Ich hab jetzt einen Beamer. Die Wand ist sozusagen mein Fernseher.«
    »Aha… also ganz schön groß?«
    »Mehr oder weniger so groß wie die Wand.«
    Ich lasse den Rollladen herunter.
    »Was machst du denn da?«
    »Wenn es hell ist, sieht man nicht gut.«
    »Nicht doch, das macht doch nichts.«
    »Ich wollte es dir nur zeigen.«
    »Lass gut sein, ich hab schon kapiert…«
    Stille breitet sich zwischen uns aus, eine Stille, die uns trennt.
    »Ich habe noch Sachen von dir, die du vergessen hast.«
    »Was denn?«
    »Ein Buch, ein paar Unterhosen…«
    »Du kannst alles behalten.«
    Ich mache ihr einen Eisbecher zurecht. »Hier, das ist [247]  deiner. Crema und Stracciatella, deine Lieblingssorten.« Ich setze mich neben sie aufs Sofa.
    Nach einer Weile steht sie auf und geht ans Bücherregal. »Es kommt mir vor, als hätten die Bücher sich verdoppelt.«
    »Verdoppelt nicht, aber es sind schon etliche dazugekommen. Ich muss bald ein neues Regalbrett kaufen, ich lege die Bücher nicht gern oben auf die anderen.«
    Ich gehe hinüber, stelle mich hinter sie. So nah, dass ich ihr Parfüm rieche. Ich strecke den Arm aus, um ein Buch herauszunehmen, und rücke ihr dabei so dicht auf die Pelle, dass sie zur Seite tritt. Ich bewege mich auf schwankendem Boden. Ich habe Angst, etwas falsch zu machen, ein Wort, einen Schritt, eine Geste. Ich fürchte, dass mein Gesicht mich verrät, mich und meine Angst, mein Begehren. Ich beschließe, Musik aufzulegen, oder lieber doch nicht, nein, besser nicht: Sie könnte denken, ich wolle nur eine gewisse Stimmung erzeugen. Ich weiß nicht, ob sie wirklich so cool ist oder ob sie nur so tut. Falls sie nur so tut, ist sie wirklich fabelhaft, sie gibt sich keine Blöße. Sie scheint sich richtig wohl in ihrer Haut zu

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