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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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gesondert mit einer anderen Chemikalie testen – Tetramethylbenzidin (TMB) –, die ausschließlich auf menschliches Blut reagiert.«
    »Und, haben sie es gemacht?«, fragte ich ängstlich.
    »So frustrierend es ist, aber wir müssen warten, bis die Ermittlungsphase vorbei ist, damit wir sehen, wie die polizia scientifica zu ihren Schlüssen gekommen ist«, antwortete Carlo.
    Vielleicht war es besser, nicht zu wissen, dass es zweiundzwanzig nervenaufreibende Monate dauern würde, bis wir herausfanden, was die Forensiker zu ihrer irreführenden Aussage bewogen hatte.
    Diese neue Behauptung war eine weitere Barrikade, die mich von meinem wirklichen Leben trennte – noch eine Beschuldigung auf einer immer länger werdenden Liste. Zu viele Ungereimtheiten wurden als »Wahrheit« ausgegeben – Merediths DNA an Raffaeles Küchenmesser, Raffaeles DNA an Merediths BH-Verschluss und jetzt auch noch Merediths Blut an meinen Fußsohlen.
    Gesagt zu bekommen, »investigative Intuition« habe die Polizei überzeugt, dass ich mit dem Mord an Meredith zu tun hatte – ich sei gefährlich und böse –, war schon verrückt genug. Jetzt kreuzte die Forensik – die angeblich idiotensicheren Tests, die mich entlasten würden, wie ich fest glaubte – auch noch mit Ergebnissen auf, von denen ich wusste, dass sie falsch waren. Ebenso wie den meisten Menschen, die ihre Informationen aus Krimiserien im Fernsehen haben, war mir nicht bewusst, dass forensisches Beweismaterial interpretiert werden muss, dass menschlicher Irrtum und Vorurteile Ergebnisse auf den Kopf stellen können – und es auch tun.
    »Ich begreife das nicht«, sagte ich meinem Vater bei seinem nächsten Besuch. »Wie kann das angehen? Raffaele und ich waren nicht dort, wie kann es dann irgendeinen Beweis geben, der auf uns hindeutet?«
    Ich war derart niedergeschlagen, so hilflos und traurig, dass ich nur weinen konnte, während mein Vater mich im Arm hielt. »Ist die Polizei einfach nur unfähig?«, jammerte ich. »Die entfernen sich immer mehr von der Wahrheit. Wie können den Ermittlern drei belastende Irrtümer hintereinander unterlaufen? Was werden sie als Nächstes finden?«
    Aber ich versuchte, nicht zu weit vorauszudenken. Von meiner Mutter hatte ich mich bereits verabschieden müssen. Sie ist Grundschullehrerin und hatte ihre gesamten Ferien- und Krankheitstage eingesetzt, um bei mir zu sein. Meine Verteidigung kostete viel mehr, als meine Eltern besaßen. Meine Mutter musste wieder zurück zu ihrer Arbeit. Gott sei Dank war aber mein Vater für mich da. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich das ohne meine Eltern durchstehen würde.
    Erbost über die Flut von Unwahrheiten, zog ich die Schlussfolgerung, die meinen Anwälten und meinem Vater schon klar war: Polizei und Staatsanwaltschaft konnten es sich nicht leisten einzugestehen, einen Fehler begangen zu haben. Auf der Pressekonferenz an dem Tag, an dem Raffaele und ich festgenommen wurden, hatten sie den Fall für abgeschlossen erklärt. Sie würden um jeden Preis an ihrer Geschichte festhalten.
    Ich freute mich immer, meine Anwälte zu sehen, doch jetzt musste ich mich vor jedem Besuch wappnen. Es dauerte auch nicht lange, bis sie noch mehr niederschmetternde Nachrichten mitbrachten.
    Knapp eine Woche später berichteten Ermittler, sie hätten meine DNA vermischt mit Merediths Blut rings um den Abfluss des Bidets in unserem gemeinsamen Bad gefunden. Damit war für sie erwiesen, dass ich mir Hände und Füße im Bidet abgespült hatte, nachdem ich Meredith den Hals aufgeschlitzt hatte. Sie behaupteten, meine Hautpartikel seien aufgetaucht – nicht welche von Raffaele oder Rudy Guede –, weil ich die Letzte war, die sich im Bad gewaschen hatte.
    An diesem Tag setzten mich meine Anwälte auch darüber in Kenntnis, dass ein italienischer Reporter Luciano eine Reihe von Fotos aus der aktuellen Daily Mail auf seinem Handy gezeigt hatte. »Abschreckende Bilder vom Tatort des Mordes an Meredith enthüllen entsetzliches Blutbad in der Wohnung«, lautete die Schlagzeile.
    Als ich am 2. November von Raffaele nach Hause gekommen war, befanden sich zwei Blutspritzer im Waschbecken und ein winziger Schmierfleck auf der Badematte. Auf dem Foto schien das Badezimmer, in dem ich geduscht hatte, in Blut getränkt. Die Polizei gab die Fotos ohne Erläuterung heraus. Sie sagten nicht, dass der Raum mit Phenolphthalein eingesprüht war – einer Chemikalie, die ähnlich wie Luminol als erster Film verwendet wird, um

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