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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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Verhalten fiel mir auf, weil es mir unmöglich erschien, dass diese beiden jungen Leute daran dachten, sich zu küssen, obwohl die Leiche ihrer Freundin unter solchen Umständen aufgefunden worden war.«
    Meine Mitbewohnerinnen und deren Freunde hätten angemessener reagiert, sagte sie. »Sie weinten alle«, erzählte sie dem Gericht. »Einige waren verzweifelt.«
    Für Napoleoni waren Raffaele und ich egozentrische Narzissten. Es mangelte uns an elementarem Mitgefühl. Und wir waren Lügner durch und durch.
    Selbst etwas so Simples wie ein Missverständnis bezüglich der Toiletten in der Villa gab ihr Anlass zu Zweifeln. Ich hätte gesagt, als ich am Vormittag zur Villa gekommen sei, um zu duschen, seien mir »Exkremente in der Toilette aufgefallen«, berichtete Napoleoni. Doch als ich später mit Raffaele zurückgekehrt sei, hätte ich »sie nicht mehr vorgefunden«.
    Das stimmte.
    Als sie jedoch nachsehen gegangen sei, »sah ich, dass der Unrat deutlich ins Auge fiel. Die Verunreinigungen reichten fast bis zum Rand der Schüssel. Ich ging wieder hinaus und sagte ihnen: ›Aber nein, sie sind noch da‹, und sie verwickelten sich in Widersprüche. Da stimmte etwas nicht.«
    Ich war überrascht, zweifelte jedoch nicht an ihren Worten. Nachdem ich erkannt hatte, dass bei uns eingebrochen worden war, hatte ich Angst gehabt, als ich mit Raffaele in die Villa zurückkehrte. Ich hatte die Toilette aus einer gewissen Entfernung betrachtet, nichts in der Schüssel gesehen und folglich angenommen, dass jemand gespült hatte. Offenbar ein Irrtum; die Exkremente waren vermutlich tiefer in die Schüssel gerutscht. Aber Napoleoni tat so, als hätte sie uns mit der Entdeckung der ungespülten Toilette bei einer Lüge ertappt und als hätten wir uns ungeschickt bemüht, diese irgendwie zu bemänteln.
    Damals war es mir dringlich erschienen, Napoleoni über die ungespülte Toilette zu informieren. Ich dachte, es wäre wichtig für die Polizei zu wissen, dass der Mörder noch im Haus gewesen sein konnte, als ich das erste Mal heimkam. Weshalb sollte ich mir eine Geschichte über verschwindende Scheiße ausdenken?
    Auch im weiteren Verlauf ihrer Aussage verdrehte Napoleoni jeden Aspekt des Falls. »Mir fiel sofort auf, dass nicht von außen ins Haus eingebrochen worden sein konnte. Offenbar hat man das erst gemacht, nachdem das Zimmer in Unordnung gebracht worden war. Ich sah sofort, dass Glas auf der Fensterbank lag; wenn ein Stein von außen gekommen wäre, hätte das Glas herunterfallen müssen.«
    Als die polizia postale mit den von Meredith benutzten Handys zur Villa gekommen sei, so behauptete sie, »fragten die Beamten Amanda, ob es normal sei, dass Meredith ihre Tür abschloss. Amanda sagte, dass Meredith ihre Tür immer abschloss, selbst wenn sie duschte.«
    Filomena Romanelli habe das bestritten, betonte Napoleoni.
    Was ich gesagt hatte – dass Meredith ihre Tür manchmal abschloss, etwa beim Umziehen nach dem Duschen oder wenn sie übers Wochenende die Stadt verließ –, war durch die Übersetzung verfälscht worden. Der Fehler kostete mich Glaubwürdigkeit. Nachdem die Polizisten mich bei solchen angeblichen kleinen Unwahrheiten ertappt hatten, hielten sie mich für eine notorische Lügnerin.
    Die Leiterin der Mordkommission fügte hinzu, die Polizei habe die Aktivitätslisten der Handys überprüft und festgestellt, dass sowohl mein Gerät als auch das von Raffaele in der Nacht, bevor man Meredith gefunden hatte, inaktiv gewesen waren. »Amandas Handy von zwanzig Uhr fünfunddreißig an und Sollecitos Handy von zwanzig Uhr zweiundvierzig an.« Das besagte zwar rein gar nichts, aber sie präsentierte es, als hätten wir einen tieferen Beweggrund dafür. Dass wir uns einen Film anschauen wollten, ohne dabei gestört zu werden, erwähnte sie nicht.
    »Wir haben nach Widersprüchen gesucht«, erklärte Napoleoni dem Gericht, »und die Widersprüche tauchten immer bei Amanda und Raffaele auf, weil ihre Darstellung der Geschehnisse zu absonderlich war. Sie war unwahrscheinlich.«
    Wenn überhaupt, war sie surreal. Ich hatte nicht damit gerechnet, an den Schauplatz eines Mordes heimzukommen. Ich hatte nicht gewusst, was ich von dem halten sollte, was ich dort vorfand. Ja, ich war nach Hause gekommen und hatte geduscht. Ich hatte nicht nachgeforscht, was sich hinter Merediths verschlossener Tür befand. Und dann hatte eins zum anderen geführt. Ich hatte zwei Blutströpfchen entdeckt, dann eine ungespülte Toilette, dann

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