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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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und ihre Freundin herfiel und beide mit den Fäusten ins Gesicht schlug. Die Attacke wuchs sich zu einer waschechten Schlägerei aus, bevor es den anderen Insassinnen gelang, Mona wegzuziehen. Ich hockte zusammengesunken in einer Ecke des Hofes, so geschockt, dass ich nicht aufzustehen vermochte. Ich hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass es jederzeit und überall zu Gewaltausbrüchen kommen konnte.
    Einmal kam Mona auf mich zugestürmt, nachdem ich unsere Zelle aufgeräumt hatte. »Amanda, wo ist mein Tabak?«
    Ihre Wut machte mich nervös. »Ich hab ihn beim Aufräumen nicht gesehen«, sagte ich.
    »Er hat neben meinem Bett gelegen, und jetzt ist er weg. Treib ja keine Spielchen mit mir«, zischte sie und ballte die Fäuste.
    »Ich schwör’s dir, ich habe ihn nicht gesehen«, sagte ich.
    »Hier ist er!«, rief Fanta aus dem Bad. Sie kam mit einem zusammengeknüllten Stück Papier in den Hauptraum. Mona griff danach und öffnete es. Loser Tabak kam zum Vorschein. »Amanda hat es bestimmt für Abfall gehalten und aus Versehen weggeworfen«, meinte Fanta.
    Mona fuhr zu mir herum. »Willst du mich verkaspern?«, donnerte sie. »Du hast mich angelogen!«
    »Ich hab’s nicht gemerkt! Es tut mir leid!«, rief ich und wich langsam zurück.
    »Mona! Mona! Ist ja schon gut. Es war ein Irrtum!« Fanta trat zwischen uns.
    Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn Fanta nicht da gewesen wäre.
    Die nächste Mitbewohnerin war Ossa, eine drahtige, junge Roma, ein Jahr älter als ich, fanatisch religiös und mürrisch wie ein Teenager. Sie zog ein, als Mona auszog.
    Anfangs kamen wir gut miteinander klar. Meine anderen Zellengenossinnen mochten sie zunächst nicht, weil sie fast den ganzen Tag schlief. Ich wandte ein, dass sie das Recht hatte zu schlafen, wenn sie wollte – sie störte ja niemanden. Ossa unterhielt sich mit mir über Gott und über das Reden in Zungen, und sie behauptete, sie sei wie Robin Hood – sie stehle von den Reichen, um den Armen zu geben.
    Eines Tages erzählte uns Ossa, sie habe eine Insassin, mit der sie sich angefreundet hatte – eine Frau, die dabei erwischt worden war, wie sie andere Häftlinge bestahl –, gefragt, ob sie nicht ein gerade frei gewordenes Bett in unserer Zelle übernehmen wolle.
    Zwei von uns vieren würden auf dem offiziellen Antragsformular unterschreiben müssen, damit die ispettore den Umzug genehmigte.
    Wir lehnten alle ab.
    Ossa ließ ihren Groll an mir aus. Sie machte sich über mich lustig, weil ich las und schrieb und den Fernseher leiser stellte. Sie rümpfte die Nase über die Lebensmittel, die ich für alle in der Zelle bestellte – und bezahlte. Sarkastisch bezeichnete sie mich als die »Zellenkönigin«. Immer wenn mein Fall in den Nachrichten zur Sprache kam, stimmte sie der Anklage zu. »Jeder weiß, dass du schuldig bist, Amanda – und eine Betrügerin«, sagte sie. Wütend vergrub ich mich in meinem Buch Per Anhalter durch die Galaxis, weil ich nicht wollte, dass sie merkte, wie sehr sie mich nervte.
    Meine Gleichgültigkeit brachte sie so auf die Palme, dass sie drohte, mir den Kopf in die Toilette zu stecken und zu spülen.
    Eines Abends, als ich in der Nähe der Zellentür auf dem Fußboden saß und das Licht vom Gang draußen einzufangen versuchte, sprang sie aus dem Bett, stürzte sich auf mich und schrie: »Ich hasse dich!« Sie hatte die Hände erhoben, um mich zu schlagen, als eine andere Mitbewohnerin namens Tanya aufsprang, Ossa von hinten packte und ihr die Arme auf dem Rücken festhielt. Gelähmt von Furcht, fühlte ich mich wie eine Kakerlake, die gleich zertreten werden würde. Solange ich vor Gericht stand, konnte ich mir keine Eintragung in meiner Akte leisten, schon gar nicht wegen einer Prügelei. Zitternd stand ich auf, die Arme kapitulierend erhoben. »Auch wenn du mich schlägst«, sagte ich leise, »werde ich nicht zurückschlagen.«
    Am nächsten Tag sah Ossa mir beim Tagebuchschreiben zu und trat dann an mein Bett. »Du schreibst da schreckliche Sachen über mich rein!«, rief sie und schnappte sich das Notizbuch von meinem Schoß. Bevor ich reagieren konnte, hatte sie einen dicken Packen Seiten herausgerissen und die Blätter zerfetzt.
    Ich fühlte mich vollkommen hilflos. Wenn ich es ihr wegzunehmen versuche, reißt sie mir die Haare aus . Es war ein fast ebenso schlimmer Übergriff wie die Beschlagnahmung meines Tagebuchs durch die Polizei kurz nach meiner Verhaftung. Die Wirkung war dieselbe: Mir blieb nichts anderes

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