Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
Vom Netzwerk:
übrig, als wie gelähmt zuzusehen, wie ich etwas verlor, was für jeden außer mir wertlos war – und zugleich das, woran mir am meisten lag: meine Gedanken.
    Ein paar Tage später wurde Ossa zu meiner großen Erleichterung entlassen. Sie verschwand ebenso aus meinem Leben wie Cera.

    Die Wochen vergingen, und während die Anklage eine lange Reihe von Zeugen aufrief, schrumpfte mein optimistischer Glaube an einen schnellen Freispruch und wich hilfloser Traurigkeit.
    Ich rechnete damit, dass die Staatsanwaltschaft Polizisten aufrufen würde, die in der Villa und im Verhörraum gewesen waren. Aber ich erkannte Monica Napoleoni nicht gleich. Ich hatte die Leiterin der Abteilung für Mordermittlungen noch nie in einer Kleidung gesehen, die ihrem Titel entsprach. Normalerweise trug sie hautenge Jeans, figurbetonte Blusen und eine schicke Sonnenbrille. Mit ihrer dunkelblauen Jacke, die mit Medaillen in der Größe von Silver Dollars geschmückt war, sah sie völlig anders aus als sonst; es kam mir so vor, als hätte sie sich herausgeputzt, um die Leute von ihrer Autorität zu überzeugen. Alles, was sie tat und sagte – ihre Wortwahl, der Inhalt ihrer Äußerungen und die Betonungen –, war darauf angelegt, die Richter und Schöffen mit ihrer Professionalität zu beeindrucken. Sie verteidigte die schlampige Arbeit ihrer Ermittler. Sie war abstoßend. Napoleoni hatte sich voll im Griff, während sie in diesem Gerichtssaal saß und log, ohne eine Sekunde zu zögern.
    Als sie die Fragen von Staatsanwalt Mignini beantwortete, drückte sie sich klar und unkompliziert aus und versuchte, sich im besten Licht darzustellen. Sie war klüger als ihre Kolleginnen und Kollegen. Sie wusste, dass das Gericht nach Schnitzern der Polizei suchte. »Wir haben unsere Arbeit die ganze Zeit hindurch perfekt ausgeführt«, erklärte sie. »Wir haben Amanda nicht geschlagen.« – »Wir sind die Guten.«
    Als die Verteidigung sie befragte, änderte sich ihr Verhalten. Statt professionell – wenn auch unehrlich – war sie nun gereizt, ungläubig und herablassend. Als Raffaeles Anwältin Giulia Bongiorno sie beispielsweise fragte, ob die von den Polizisten am Tatort benutzten Handschuhe sterilisiert oder Einmalhandschuhe gewesen waren, schlug sie einen abfälligen Ton an und sagte: »Das ist doch dasselbe.«
    »Mit Einmalhandschuhen meinen Sie, dass diese Handschuhe nur ein einziges Mal benutzt werden können, nicht wahr?«, fragte Bongiorno.
    »Ja, das versteht sich doch von selbst«, antwortete Napoleoni hochnäsig.
    »Das heißt also, Sie haben jedes Mal, wenn Sie einen Gegenstand berührt haben, die Handschuhe gewechselt?«
    »Nein, es heißt, ich ziehe sie an, wenn ich eintrete, bevor ich etwas berühre, und genau das habe ich getan.«
    »Folglich haben Sie im Verlauf der Durchsuchung mit denselben Handschuhen – ohne sie zu wechseln – die verschiedenen Gegenstände im Raum berührt?«, fragte Bongiorno.
    »Ja, selbstverständlich.«
    Ich wusste, dass es die Aufgabe der Polizei war, den Tatort zu untersuchen, Indizien zu sammeln und den Täter zu ermitteln. Doch hier in Perugia schienen die Polizei und die Staatsanwaltschaft aus der entgegengesetzten Richtung an den Mord an Meredith heranzugehen. Die Ermittlungen waren sospettocentrico – auf den Verdächtigen konzentriert. Polizei und Staatsanwaltschaft waren fast sofort davon überzeugt gewesen, dass Raffaele und ich schuldig waren, und hatten dann dafür gesorgt, dass die Indizien zu ihrer Theorie passten. Statt unparteiisch zu sein, setzten die forensischen Fachleute der Anklage unaufhörlich alles daran, uns zu belasten. Es war ein Feldzug von erstaunlicher Unverfrorenheit und Zielstrebigkeit.
    Napoleonis Präsentation ihrer Ermittlungsergebnisse bestand darin, dass sie uns in den Schmutz zog.
    Die Polizei habe uns von Anfang an in Verdacht gehabt, sagte sie und erzählte, wie sie uns an jenem Tag, an dem Merediths Leiche entdeckt worden war, vor der Villa zum ersten Mal gesehen hatte. »Amanda Knox und Raffaele Sollecito haben Abstand von den anderen gewahrt, sich geküsst und gestreichelt«, sagte sie.
    Später, in der questura, hätten wir uns »allen anderen gegenüber vollkommen gleichgültig verhalten«, fügte sie hinzu. »Sie fläzten sich im Warteraum auf den Sitzen herum, küssten sich, schnitten sich die ganze Zeit Grimassen … sie küssten sich und tauschten Zärtlichkeiten aus. Von den anderen hielten sie sich fern … Sie redeten im Flüsterton miteinander. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher