Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Zellengenossin meiner Freundin Laura verlegt hatten, um mich bei ihr unterzubringen.
Nach so vielen bitteren Pillen war Laura die richtige Zellengenossin zur rechten Zeit. Bei unserer ersten Begegnung hatten wir uns beide köstlich amüsiert. Wir hatten uns über die dunkelsten Aspekte des Gefängnisses – tägliche Leibesvisitationen durch Wärterinnen – lustig gemacht und endlos lang über die normalen Dinge des wirklichen Lebens gescherzt, die wir am meisten vermissten. Meine Antwort? Sushi. In einer Demonstration von Patriotismus und Heimweh sangen wir jeden Morgen gemeinsam The Star Spangled Banner .
Laura war in Ecuador in einer amerikanischen Militärfamilie aufgewachsen. Sie war mehrere Jahre älter als meine Mutter, und ich war jünger als ihre beiden Töchter, aber wir wurden Freundinnen. Außer Don Saulo war sie die Einzige in Capanne, der ich vertraute.
In Quito, wo sie lebte, hatte Laura ein Verhältnis mit einem Italiener begonnen, der sie für die Ferien nach Neapel einlud und ihr einen neuen Koffer kaufte. Doch als sie auf dem Aeroporto Internazionale di Napoli landete, holte sie nicht ihr Freund vom Flugzeug ab, sondern die Zollfahndung. Die Beamten verhafteten sie wegen des Kokains, das sie im Futter ihres Gepäcks eingenäht fanden. Wie sich herausstellte, hatte ihr Freund sie nicht nur zur Drogenkurierin gemacht, sondern ihr auch einen falschen Namen genannt. Er war nicht aufzufinden. Sie wurde zu fast fünf Jahren Haft verurteilt.
Laura hielt sich so aufrecht wie ein Fahnenmast und wirkte selbst noch in ihrer Jogginghose aristokratisch. Sie respektierte die Wärterinnen, erniedrigte sich aber nicht. Sie hatte einen Job in der Küche, doch als die Wirtschaft – und mit ihr der Gefängnislohn – schrumpfte, erklärte sie höflich: »Meine Dienste sind mehr wert. Für so wenig arbeite ich nicht.«
Man beförderte sie von der Küchenmagd zur Küchenchefin und gewährte ihr eine Gehaltserhöhung. Laura war genau die Richtige, um mir beizubringen, wie man sich behauptete.
»Du kommst an erster, zweiter und dritter Stelle, dann kommen alle anderen«, erklärte sie mir, als ich mich damit herumquälte, ob ich meinen Angehörigen und Freunden oft genug schrieb und ob ich andere Insassinnen mit der richtigen Balance aus Großzügigkeit und Zurückhaltung behandelte.
»Es ist in Ordnung, nein zu sagen, Amanda«, rief sie mir ins Gedächtnis. »Häftlinge bitten dich, ihnen Gefälligkeiten zu erweisen, obwohl sie wissen, dass sie dich damit in Gefahr bringen.«
Das Gefängnis war in verschiedene Sektionen aufgeteilt, und es war uns verboten, Dinge – Kaffee, Zigaretten, alles – von einer Sektion zur anderen zu bringen. Wenn ich erwischt wurde, würde es mich Monate kosten, die ich sonst für gute Führung von meiner Strafe abziehen konnte. »Die kommen auch ohne Kaffee zurecht«, meinte Laura. »Du denkst zu viel an andere, obwohl es auf deine Kosten geht, und du verlangst zu viel von dir.«
Wenn ich mich wegen früherer Fehler geißelte, ermahnte sie mich: »Du bist ein viel besserer Mensch, als du glaubst.«
Und wenn ich mich in die Frage hineinsteigerte, ob bestimmte Insassinnen einen Streit mit mir vom Zaun brechen würden, schnaubte sie verächtlich und sagte: »Wenn sie bellen, beißen sie nicht.«
Lauras Ansatz war genial – wenn man keine Angst hat, wird man mit geringerer Wahrscheinlichkeit angegriffen. »Die können deine Furcht riechen«, sagte sie. »Merkst du, dass sich niemand mit mir anlegt? Das liegt daran, dass ich keine Angst vor denen habe.«
Ich war nie so unerschrocken wie Laura, aber ihre liebevoll-strenge Ermutigung half mir, Selbstvertrauen zu gewinnen und zu erkennen, dass ich trotz meiner Fehler und unerfüllten Ansprüche an mich selbst ein guter Mensch war.
Und obwohl ich viel von ihr lernte, war es keine einseitige Beziehung. Ich brachte sie zum Lachen, ein echtes Bravourstück, weil sie Dummheit nicht ertragen konnte. Laura sagte, ich spräche meine eigene alberne Sprache – sie nannte sie »Amandisch«. Wenn ich allzu aufgekratzt war und zu sehr herumkasperte – zum Beispiel Leute imitierte oder Geschichten erfand, wie man sie einem Kind beim Schlafengehen erzählen würde –, tippte sie auf ein imaginäres »Spinn-o-meter« an der Wand über ihrem Kopf und sagte: »Die Skala reicht schon gar nicht mehr, Amanda!«
Lauras Freundschaft und die einiger anderer hielten mich zusammen.
Rocco Girlanda und Corrado Daclon kamen mich am Sonntag nach meiner
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