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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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Sie Meredith schreien hören?«, fragte er.
    »Ich glaube schon«, sagte ich.
    Alles wurde auf Italienisch festgehalten, und er sagte: »Das hier haben wir aufgeschrieben. Unterzeichnen Sie.«
Ich möchte aus freien Stücken berichten, was geschehen ist, weil ich zutiefst verwirrt bin und große Angst vor Patrick habe, dem afrikanischen Besitzer der Gaststätte Le Chic in der Via Alessi, wo ich hin und wieder arbeite. Ich habe mich am Abend des 1. November mit ihm getroffen, nachdem ich ihm eine Antwort auf seine Nachricht mit den Worten »bis später« geschickt hatte. Wir trafen uns gegen neun Uhr abends beim Basketballplatz auf der Piazza Grimana. Wir gingen zu meinem Haus in der Via della Pergola 7. Ich weiß nicht mehr genau, ob meine Freundin Meredith bereits im Haus war oder ob sie nach uns kam, aber ich kann sagen, dass sie mit Patrick in ihrem Zimmer verschwand, während ich, glaube ich, in der Küche blieb. Ich weiß nicht mehr, wie lange sie in ihrem Zimmer waren, aber einmal hörte ich Meredith schreien, und ich hatte Angst und hielt mir die Ohren zu. Ich habe keine Erinnerung an das, was danach geschah. In meinem Kopf herrscht große Verwirrung. Ich weiß nicht mehr, ob Meredith schrie oder ob ich dumpfe Schläge hörte, weil ich einen Schock hatte, aber ich konnte mir vorstellen, was sich abspielte.
    Nachdem ich unterzeichnet hatte, hörten sie gnädigerweise auf, mich zu vernehmen, doch in meinem Kopf wollte keine Ruhe einkehren. Etwas fühlte sich nicht richtig an. Es kam mir so vor, als hätte ich keine Erinnerungen wiedergegeben, sondern die ganze Geschichte nur erfunden.
    In meiner Benommenheit dachte ich, irgendwann würde alles schon wieder gut werden. Ich dachte, ich könnte mit Menschen von draußen kommunizieren. Meine Mutter würde noch an diesem Tag kommen und mir helfen, aus alldem schlau zu werden.
    Ich hatte nur einen einzigen Erinnerungsfetzen, aber er schien die Wahrheit zu enthalten. Ich fürchtete mich so vor der Polizei, davor, sie in die falsche Richtung, zur falschen Person zu schicken.
    Und wenn ich ihnen nun etwas Falsches erzählt habe? Wenn ich gar keine Amnesie habe?
    Und was war mit den »freiwilligen Aussagen«, wie die Polizei die von mir unterzeichneten Dokumente nannte? Sie berücksichtigten weder, dass ich gesagt hatte, ich sei verwirrt, noch, dass ich ständig gerufen hatte: »Ich weiß es nicht.« In ihnen war keine Rede davon, dass man mich bedroht und angeschrien hatte. Nichts von alledem steht darin.
    Die Aussagen waren in ihren Worten abgefasst. Doch nun waren es meine Worte, und das erwies sich als entscheidend für alles, was darauf folgte.

11
    Morgen des 6. November 2007
    M eine zweite »freiwillige Aussage« unterschrieb ich um Viertel vor sechs, als sich die Dunkelheit draußen vor dem kleinen Fenster am anderen Ende des Verhörraums gerade zu lichten begann. So war es auch im Innern. Kaum hatte ich den letzten Schrägstrich des x in »Knox« gezogen, hörte die Tortur auf.
    Der Raum leerte sich im Nu. Bis auf Rita Ficarra, die an dem Holztisch saß, wo sie die ganze Nacht gesessen hatte, war ich in der Stille vor der Morgendämmerung allein.
    Nur noch ein paar Stunden, dann sehe ich Mom, dachte ich. Wir werden die Nacht in einem Hotel verbringen.
    Ich bat darum, zwei Klappstühle aus Metall aneinanderstellen zu dürfen, rollte mich wie ein Embryo zusammen und war vor lauter Erschöpfung sofort weg. Wahrscheinlich schlief ich nicht mehr als eine Stunde, dann weckten mich bohrende Zweifel.
    O Gott, und wenn ich die Polizei nun in die verkehrte Richtung geschickt habe? Sie werden den Falschen suchen, während der echte Mörder entkommt . Ich setzte mich weinend auf und versuchte angestrengt, mich daran zu erinnern, was in der Nacht von Merediths Ermordung geschehen war. Hatte ich mich wirklich mit Patrick getroffen? War ich überhaupt in der Villa gewesen? Oder hatte ich mir das alles nur ausgedacht? Ich war zu erschöpft und zu durcheinander, um klar denken zu können. Mich befiel Unsicherheit, ob das, was ich der Polizei und dem pubblico ministero gesagt hatte, den Tatsachen entsprach. Ich versuchte, Ficarra auf mich aufmerksam zu machen.
    »Äh, scusi «, murmelte ich zaghaft. »Ich bin nicht sicher, ob das, was ich Ihnen erzählt habe, richtig ist.«
    »Mit der Zeit werden die Erinnerungen schon zurückkommen«, antwortete Ficarra mechanisch, wobei sie kaum den Blick hob, um mich anzusehen. »Sie müssen scharf nachdenken.«
    Es kam mir unmöglich vor, dass

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