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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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geblieben.
    »Wohin sind Sie gegangen? Wem haben Sie eine SMS geschickt?«
    Ficarra grinste mich höhnisch an.
    »Ich erinnere mich nicht, dass ich irgendwem eine SMS geschickt hätte.«
    Sie nahmen mein Handy vom Tisch und scrollten rasch durch die Anrufliste.
    »Sie müssen aufhören zu lügen. Sie haben Patrick eine SMS geschickt. Wer ist Patrick?«
    »Mein Chef im Le Chic .«
    »Was ist mit seiner SMS? Um wie viel Uhr haben Sie die bekommen?«
    »Keine Ahnung. Sie haben doch mein Handy«, erwiderte ich trotzig, im Versuch, Feindseligkeit mit Feindseligkeit zu bekämpfen. Ich wusste nicht mehr, dass ich sie gelöscht hatte.
    »Warum haben Sie Patricks Nachricht gelöscht? Ihre Nachricht besagt, dass Sie Patrick treffen wollten.«
    »Welche Nachricht?«, fragte ich verwirrt. Ich konnte mich nicht erinnern, Patrick eine Antwort geschickt zu haben.
    »Die hier!« Ein Polizist hielt mir das Handy vor die Nase und nahm es wieder weg, bevor ich auch nur einen Blick darauf werfen konnte. »Hören Sie auf zu lügen! Wer ist Patrick? Beschreiben Sie ihn!«
    »Er ist ungefähr so groß.« Ich zeigte es ihnen. »Mit Rastazöpfchen.«
    »Kannte er Meredith?«
    »Ja, sie kam manchmal in die Bar.«
    »Mochte er sie?«
    »Ja, er mochte Meredith. Er war nett zu ihr. Sie kamen gut miteinander aus.«
    »Fand er Meredith hübsch?«
    »Na ja, Meredith war hübsch. Er fand sie bestimmt hübsch.«
    »Wann sind Sie losgegangen, um sich mit Patrick zu treffen?«
    »Ich habe mich nicht mit Patrick getroffen. Ich bin bei Raffaele geblieben.«
    »Nein. Diese Nachricht besagt, dass Sie ihn treffen wollten.«
    »Nein, das stimmt nicht.«
    Sie lasen die Nachricht laut vor: » ›Certo ci vediamo piu tardi buona serata!‹ – ›Okay, wir sehen uns später, schönen Abend!‹ Das heißt, wir treffen uns. ›Wir sehen uns später‹, haben Sie geschrieben. Warum haben Sie sich mit ihm getroffen?«
    »Ich habe mich nicht mit ihm getroffen!«, rief ich. »›See you later‹ heißt auf Englisch so viel wie ›Auf Wiedersehen‹. Es bedeutet nicht, dass wir uns gleich wiedersehen wollten, sondern irgendwann .«
    Ich hatte keine Ahnung, dass ich in meinem Anfänger-Italienisch die falsche Formulierung benutzt hatte – diejenige, die bedeutet, dass man vorhat, sich mit jemandem zu treffen. Ich hatte sie einfach wortwörtlich aus dem Englischen übersetzt.
    »Sie sind eine Lügnerin«, blaffte die Dolmetscherin.
    »Nein, bin ich nicht! Ich habe Raffaeles Wohnung nicht verlassen.«
    »O doch«, behauptete sie. »Er hat es selbst gesagt. Und Sie haben geschrieben, dass Sie sich mit Patrick treffen wollten.«
    Wie konnte ich sie bloß davon überzeugen, dass ich die ganze Nacht bei Raffaele gewesen war? Meine Beteuerungen wirkten so fadenscheinig, besonders wenn sich alle gegen mich verbündeten. Ich konnte sie von gar nichts überzeugen.
    »Ich bin nicht weggegangen«, beharrte ich.
    »Mit wem haben Sie sich getroffen? Wen wollen Sie schützen? Warum lügen Sie? Wer ist dieser Mann? Wer ist Patrick?«
    Die Fragen nahmen kein Ende. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Und obwohl es kaum möglich schien, wurde der Druck immer noch stärker.
    »Patrick ist mein Chef«, sagte ich.
    Die Dolmetscherin bot eine Lösung an. »Als ich einmal einen Unfall hatte, konnte ich mich hinterher nicht daran erinnern. Ich hatte mir das Bein gebrochen und war traumatisiert, und als ich aufwachte, wusste ich nichts mehr davon. Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich, und Sie haben auch einfach alles vergessen. Vielleicht können Sie sich deshalb nicht so gut an die Uhrzeiten erinnern.«
    Einen Moment lang klang sie fast freundlich.
    Aber ich sagte: »Nein, ich bin nicht traumatisiert.«
    Damit hatte die Dolmetscherin jedoch eine Fährte gelegt. Ein anderer Polizist nahm das Stichwort auf.
    »Vielleicht sind Sie traumatisiert von dem, was Sie gesehen haben«, meinte er. »Vielleicht erinnern Sie sich deshalb nicht daran?«
    Alle schrien, und ich schrie zurück.
    » What the fuck – ich verstehe nicht, was eigentlich los ist!«
    Ein bulliger Polizist mit Bürstenschnitt dachte, ich hätte »Fuck you« gesagt. »Fuck you!«, brüllte er zurück.
    Sie hielten mir erneut mein Handy mit der SMS an Patrick vor die Nase und schrien: »Sie lügen! Sie haben Patrick eine Nachricht geschickt! Wer ist Patrick?«
    In diesem Moment schlug mich Ficarra auf den Kopf. »Ich mache das, damit Sie besser aufpassen.«
    »Ich will Ihnen ja helfen, ich will Ihnen ja helfen, ich geb mir

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