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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Knox
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Ich wollte der Polizei helfen, die Person zur Strecke zu bringen, die meine Freundin getötet hatte.
    Was ich nicht wusste: Die Polizei und ich waren sehr unterschiedlicher Ansicht darüber, wo ich stand. Ich sah mich als Helferin, als jemanden, der mit Meredith zusammengewohnt hatte und darum die Fragen der Kriminalbeamten beantworten konnte. Das würde ich so lange tun, wie sie wollten. Allerdings war es eine gewaltige Erleichterung zu wissen, dass morgen meine Mutter mitkommen würde, wenn ich wieder zur questura musste. Falls die Polizei mich jedoch nicht brauchte, wollte ich meine Mutter mit Laura und Filomena bekannt machen – und vielleicht mit Merediths Eltern, wann immer sie eintrafen.
    So sah ich mich selbst. Aber die Polizei hielt mich für eine gewissenlose Mörderin. Es sollte noch lange dauern, bis ich dahinterkam, dass wir von diametral entgegengesetzten Annahmen ausgingen.
    Als Ficarra und ich die Kantine betraten, war die Mittagszeit fast schon vorbei. Ich bat um einen Espresso, und der barista förderte aus den wenigen verbliebenen Sandwich-Zutaten ein paar Scheiben Salami und ein Stück Brot zutage. Bei unserer Rückkehr nach oben gab mir ein Polizist meine Wanderstiefel. Jemand aus der questura war zur Villa gegangen, um sie zu holen. Bestimmt hatten sie die Gelegenheit genutzt, um meine Sachen zu durchstöbern. Ich machte mir erheblich mehr Sorgen um meine geistige Verfassung als darüber, was ich an den Füßen hatte. Was war nur über mich gekommen? Weshalb war ich so durcheinander? Warum hatte ich diese Aussagen gemacht, die mir immer weniger der Wahrheit zu entsprechen schienen?
    Ich wiederholte Ficarra gegenüber noch einmal, was ich zuvor schon gesagt hatte.
    »Was ich letzte Nacht geschildert habe, scheint mir keine Erinnerung zu sein. Mir ist, als hätte ich mir diese Ereignisse nur eingebildet.«
    »Nein, Ihre Erinnerungen kommen zurück, Sie werden schon sehen«, beharrte sie.
    »Sie verstehen nicht«, protestierte ich. »Je besser ich mich erinnere, desto mehr denke ich, dass ich Ihnen etwas Falsches erzählt habe.«
    Ich war sicher, dass sie nicht weiter darauf einging, weil ich mich auf Italienisch nicht gut ausdrücken konnte. In Wirklichkeit lag es jedoch daran, dass sie andere Pläne mit mir hatte, dass unsere Diskussion beendet war. Aber das wusste ich nicht.
    »Wir müssen Sie in Gewahrsam nehmen«, sagte sie. »Nur für ein paar Tage – aus bürokratischen Gründen.«
    In Gewahrsam? Was heißt das? Bringen sie mich an einen sicheren Ort?
    Der silberhaarige Polizist hatte mir während meiner Vernehmung erklärt, sie würden mich beschützen, wenn ich mit ihnen zusammenarbeitete, wenn ich ihnen sagte, wer der Mörder war.
    Wird meine Mom dort bei mir sein? Kann ich sie anrufen?
    Was bedeutet »bürokratische Gründe«? Heißt das, sie befassen sich gerade mit dem Papierkram – mit meinen freiwilligen Aussagen?
    Mir lagen so viele Fragen auf der Zunge, dass ich keine davon laut stellte.
    Aber mein Hauptgedanke war: Wenn ich versteckt werden soll, muss ich der Polizei unbedingt klarmachen, dass ich mir in Bezug auf Patrick unsicher bin . Ich war unter den Fragen der Polizisten eingeknickt. Mit meinem Mangel an Standfestigkeit hatte ich dieses Problem verursacht, und nun musste ich es wieder aus der Welt schaffen.
    Ich musste sagen, dass ich Zweifel bezüglich der von mir unterschriebenen Dokumente hegte, musste der Polizei erklären, dass sie sich nicht auf den Wahrheitsgehalt meiner Aussagen verlassen konnte. Wenn ich die Arbeit der Polizisten zunichtemachte, würde das höchstwahrscheinlich bedeuten, dass sie mich wieder anschrien. So lähmend dieser Gedanke war, ich musste es riskieren. Mit der Nennung von Patricks Namen hatte ich sie ungewollt in die Irre geführt. Was, wenn sie dachten, ich hätte es absichtlich getan? Sie hatten Zeit mit mir vergeudet – Zeit, in der sie den echten Mörder hätten jagen können.
    »Kann ich ein Blatt Papier haben?«, bat ich Ficarra. »Ich muss auf Englisch aufschreiben, was ich Ihnen zu erklären versuche, weil Sie mich momentan offenbar nicht verstehen. Sie können das Papier jemandem bringen, der Ihnen sagen kann, was es auf Italienisch bedeutet. So können wir uns besser verständigen. Sie erklären mir immer wieder, dass ich mich irgendwann erinnern werde, während ich Ihnen sage, dass ich mich durchaus erinnere und deshalb bezweifle, die Wahrheit gesagt zu haben.«
    Sie gab mir ein paar Blatt Papier und einen Stift. »Schreiben Sie

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