Zeit, gehört zu werden (German Edition)
ihre Ehepartner zu Hause von Journalisten und Paparazzi verfolgt wurden, die ihre Häuser überwachten und ihnen auflauerten, an die Tür klopften und unablässig anriefen. Die Menschen, die mich hassten, kamen nicht an mich heran, weil ich ja im Gefängnis saß; aber ich konnte nichts tun, um meine Familie zu beschützen.
Auch das erdrückende Interesse am »bösartigen Fuchs« konnte ich nicht abwehren. Mein wahres Ich war verlorengegangen. Mir war, als steckte man mich in ein Kostüm, das mich noch mehr einengte als die Eisenstäbe, hinter denen ich lebte.
Die Tatsache, dass Staatsanwaltschaft und Medien mich als sexbesessen darstellten, führte dazu, dass manche Leute allem, was Raffaele und ich machten, jeder Besorgung, die wir tätigten, eine sexuelle Bedeutung beimaßen. Kurz nachdem die ersten Geschichten über Foxy Knoxy auftauchten, erzählte der Besitzer des Bubble – jenes Billigladens für Teenies, in dem Raffaele und ich am Abend nach der Mordnacht vorbeigeschaut hatten – den Journalisten, ich hätte einen roten Stringtanga gekauft. Unter der Überschrift »Bilder von Foxy Knoxy, die am Tag nach dem Mord an Meredith sexy Unterwäsche kauft« wurde ich mit folgender Aussage gegenüber Raffaele zitiert: »Jetzt nehme ich dich mit nach Hause, damit wir wilden Sex haben können.«
Wie gewöhnlich setzten Luciano und Carlo mich über diese Geschichte ins Bild. »Aber ich habe keine sexy Unterwäsche gekauft!«, protestierte ich. »Und weder ich noch Raffaele haben so was gesagt. Sie war rot, aber es war eine Bikinihose mit einer Comic-Kuh darauf. Ich war von zu Hause ausgesperrt und hatte nur die Kleider, die ich am Leib trug.«
»Tut mir leid, dass ich Sie überhaupt danach frage, Amanda«, sagte Carlo freundlich. »Wir müssen nur wissen, was wir von dieser Behauptung halten sollen.«
Carlo und Luciano drängten meine Familie und mich, den Medien keine Beachtung zu schenken. Sie gaben eine kurze Pressekonferenz, auf der meine Eltern die Erklärung verlasen, ich sei unschuldig. Danach erlaubten die Anwälte meiner Familie nicht, auf Fragen der Journalisten zu antworten. Wir hatten die Erfahrung gemacht, dass alles verdreht und gegen uns verwendet werden konnte.
»Die Medien sind so schlecht, schlechter geht’s nicht«, pflegte Carlo zu sagen. »Die machen alles, was Geld bringt. Alle, die Ihnen begegnen, werden sehen, dass Sie nicht so sind, wie Staatsanwaltschaft und Presse Sie darstellen. Journalisten sind aber nicht daran interessiert zu hören, dass Sie ein guter Mensch sind. Das müssen wir vor Gericht machen. Keine Sorge. Wir kriegen schon noch unsere Chance.«
Dass meine Eltern mit den Anwälten über diese Vorgehensweise diskutierten, wusste ich nicht. Meine Eltern wollten sich den Medien stellen. Ihnen war klar, dass vernichtende Worte kleben bleiben, sobald sie in die Welt gesetzt sind. Meine Eltern und ich sprachen während der Besuchszeiten vieles nicht an, um uns gegenseitig zusätzlichen Schmerz zu ersparen.
Neben all den Lügen über mein außer Kontrolle geratenes Liebesleben hieß es mit der Zeit, Meredith und ich hätten im Streit miteinander gelegen. Das stimmte nicht. Merediths Freundin Robyn Butterworth sagte nach meiner Festnahme als Zeugin aus, Meredith habe sich über meinen lauten Gesang und die mangelnde Toilettenpflege beschwert. Die Polizei ließ die Zeugenaussage teilweise an die Presse durchsickern, und wie so vieles wurden normale Begebenheiten im Leben von Wohngemeinschaften in ein Mordmotiv umgemünzt. Ich singe laut und oft. Und ich wusste, dass Meredith verlegen war, als sie mir sagen musste, dass man die Toilette nach jeder Benutzung ausbürsten müsse. Der Gedanke, dass sie es vielleicht hinausgeschoben hat, mit mir darüber zu sprechen, bis es ein paarmal passiert war, ist mir peinlich. Trotzdem dachte ich, dass sie sich nicht so sehr beklagt, als vielmehr mit Freundinnen oder Familie geredet und sie gefragt hatte, wie sie es anfangen sollte, damit sie meine Gefühle nicht verletzten würde.
Die Mär von unserem angeblichen Streit wurde rasch immer mehr aufgebauscht. Zwei Wochen nach Robyns Aussage verkündeten Ermittler, man habe mein Blut am Wasserhahn in dem Bad gefunden, das Meredith und ich uns teilten. Staatsanwalt Mignini stellte die Hypothese auf, dass wir beide uns tätlich auseinandergesetzt hatten und ich am Ende eine blutige Nase davontrug. Die Wahrheit war weitaus weniger dramatisch – und nicht so interessant. Ich hatte bloß zahlreiche
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