Zeit im Wind
nicht.«
»Hast du es wenigstens versucht?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Bei ihr macht man so was nicht«, antwortete ich. Obwohl wir alle wußten, daß das stimmte, klang es so, als würde ich sie verteidigen.
Eric sprang sofort darauf an.
»Ich glaube, du magst sie«, sagte er.
»Du spinnst doch«, gab ich zurück, und er schlug mir auf den Rücken - so fest, daß mir die Luft wegblieb. Wenn ich den Abend mit Eric verbrachte, hatte ich am nächsten Tag immer ein paar blaue Flecken.
»Ja, ich spinne vielleicht«, sagte er und zwinkerte mir zu, »aber du bist derjenige, der in Jamie Sullivan verknallt ist.«
Ich wußte, daß wir uns auf gefährliches Terrain begaben.
»Ich habe sie nur benutzt, um bei Margaret Eindruck zu schinden«, widersprach ich, »und wenn ich mir die Liebesbriefe ansehe, die Margaret mir in letzter Zeit geschickt hat, muß es wohl geklappt haben.«
Eric lachte laut auf und schlug mir wieder auf den Rücken.
»Du und Margaret - das ist echt lustig…«
Ich war mir darüber im klaren, daß die Gefahr gebannt war, und atmete erleichtert auf, während die Unterhaltung in eine andere Richtung driftete. Ab und zu warf ich etwas ein, aber ich konzentrierte mich nicht richtig auf das, was die anderen sagten. Statt dessen hörte ich eine leise Stimme in mir drin, die sich fragte, was Eric angedeutet hatte.
Tatsache war, daß Jamie so ungefähr die beste Partnerin war, die ich hätte haben können, wenn man bedenkt, wie der Abend verlaufen war. Nicht viele Mädchen - nein, nicht viele Menschen - hätten sich so verhalten wie sie. Gleichzeitig bedeutete aber der Umstand, daß sie so patent gewesen war, nicht, daß ich sie besonders gut leiden mochte. Ich hatte seit jenem Abend nicht mit ihr gesprochen, außer wenn ich sie im Schauspielkurs sah, und auch dann waren es nur ein paar Worte hier und da. Wenn ich sie besonders gern hätte, sagte ich mir, hätte ich auch mit ihr reden wollen. Wenn ich sie so gern mochte, würde ich sie nach Hause begleiten oder sie zu Cecil's Diner mitnehmen und dort mit ihr Hushpuppies, wie die fritierten Maisbällchen hießen, essen und koffeinfreie Cola trinken wollen. Aber ich hatte zu nichts dergleichen Lust. Wirklich nicht. In meinen Augen hatte ich meine Strafe bereits verbüßt.
Am nächsten Tag - es war ein Sonntag - saß ich in meinem Zimmer und befaßte mich mit meiner Bewerbung für die UNC. Zusätzlich zu den Zeugnissen von meiner High School und anderen persönlichen Angaben verlangten sie fünf Aufsätze nach dem Standardmuster. Wenn Sie einen Menschen aus der Geschichte kennenlernen könnten, wen würden Sie wählen und warum? Nennen Sie das wichtigste Ereignis in Ihrem Leben, und erläutern Sie, welche Wirkung es auf Sie hatte? Was erwarten Sie von einem Vorbild und warum? Die Aufsätze waren ziemlich vorhersehbar - unser Englischlehrer hatte uns schon gesagt, was auf uns zukommen würde -, und ich hatte für die Schule bereits ein paar Aufsätze als Hausaufgabe vorbereitet.
Englisch war wahrscheinlich mein bestes Fach. Seit ich zur Schule ging, hatte ich nie eine Note, die schlechter war als sehr gut, so daß ich froh war, daß bei der Bewerbung soviel Wert auf das Schriftliche gelegt wurde. Wäre es Mathematik gewesen, hätte ich mich schwergetan , besonders bei bestimmten Algebra-Aufgaben, in denen es darum geht, daß zwei Züge im Abstand von einer Stunde abfahren und einer mit vierzig Meilen pro Stunde in die entgegengesetzte Richtung fährt, usw. Ich war nicht unbedingt schlecht in Mathematik - meistens reichte es noch für ein Befriedigend -, aber es flog mir nicht gerade zu.
Ich schrieb also einen meiner Aufsätze, als das Telefon klingelte. Das einzige Telefon im Haus war in der Küche, ich mußte also nach unten laufen, um abzuheben. Als ich abhob, atmete ich so laut, daß ich die Stimme am anderen Ende nicht gleich erkennen konnte, aber es klang wie Angela. Sofort breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Auch wenn sie die Toiletten vollgekotzt hatte und ich die Schweinerei hatte wegmachen müssen, war es doch meistens recht lustig mit ihr zusammen. Und ihr Kleid war wirklich klasse gewesen, wenigstens zu Beginn des Balls. Ich nahm an, daß sie sich bei mir bedanken wollte, oder vielleicht wollte sie sich sogar mit mir treffen, zu einem Grill-Sandwich oder einer Portion Hushpuppies oder so.
»Landon?«
»Oh, hallo«, sagte ich ganz cool, »Wie geht's, wie steht's?«
Am anderen Ende entstand eine kleine Pause.
»Wie geht
Weitere Kostenlose Bücher