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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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mich gerichtet und fragten sich, ob es wohl stimmte, daß Miss Garber mich gezwungen hatte, die Rolle zu übernehmen. Ich hoffte, sie würden es nicht bemerken.
    »Deine Freunde können stolz auf dich sein«, meinte Jamie und machte diese Hoffnung zunichte.
    »Oh, wir sind stolz auf ihn«, platzte Eric heraus. »Sehr stolz sogar. Er ist ein guter Mensch, unser Landon, weil er sich bereit erklärt hat.«
    O nein.
    Jamie lächelte ihm zu, dann wandte sie sich wieder an mich, unvermindert fröhlich. »Ich wollte dir auch noch sagen, daß du jederzeit bei mir vorbeikommen kannst, wenn du Hilfe brauchst. Wir setzen uns dann wieder auf die Veranda wie damals und üben deine Rolle, wenn du magst.«
    Ich sah, wie Eric in Margarets Richtung tonlos die Worte »Wie damals« formte. Dieses Gespräch verlief nicht besonders glücklich. Inzwischen war das Loch in meinem Magen so groß wie Paul Bunyons Bowling-Kugel.
    »Danke«, murmelte ich und überlegte, wie ich mich aus der Sache herauswinden konnte. »Ich lerne sie zu Hause.«
    »Na ja, manchmal hilft es, wenn einer mit dir übt, Landon«, fiel Eric ein.
    Ich sagte ja schon, daß er keine Gelegenheit ungenutzt ließ, um mich aufzuziehen, obwohl er mein Freund war.
    »Nein, wirklich«, sagte ich, »ich lerne meine Rolle allein.«
    »Vielleicht solltet ihr es vor den Waisenkindern aufführen«, schlug Eric mit einem Lächeln vor, »Wenn ihr es ein bißchen besser könnt. So eine Art Generalprobe vielleicht. Bestimmt fänden sie das toll.«
    Man konnte direkt sehen, wie Jamies Verstand bei dem Wort »Waisenkinder« zu arbeiten anfing. Jeder wußte, worauf sie ansprang. »Meinst du wirklich?« fragte sie.
    Eric nickte voller Ernst. »Ich bin überzeugt davon. Landon hatte die Idee als erster, aber ich weiß, daß ich so etwas wunderbar finden würde, wenn ich ein Waisenkind wäre, auch wenn es nicht richtiges Theater wäre.«
    »Ich auch«, ließ Margaret sich vernehmen.
    Während sie sprachen, fiel mir die Szene aus Julius Cäsar ein, wo Brutus Cäsar in den Rücken sticht. Et tu Eric?
    »Und es war Landons Idee?« fragte sie und runzelte die Stirn. So, wie sie mich ansah, war es klar, daß der Gedanke sie beschäftigte.
    Aber Eric ließ nicht so leicht locker. Jetzt, wo er mich an der Angel hatte, konnte er mich ebensogut auch ausweiden. »Das würde dir doch Spaß machen, Landon, oder?« sagte er. »Den Waisenkindern zu helfen, meine ich.«
    Darauf konnte man wohl kaum ›nein‹ sagen, oder?
    »Schon möglich«, knurrte ich und warf meinem besten Freund wütende Blicke zu. Eric war zwar in der Nachhilfegruppe, aber als Schachspieler hätte er es bestimmt weit gebracht.
    »Gut, dann wäre das ja geklärt. Wenn du einverstanden bist, Jamie.«
    Sein Lächeln war so süß, daß man die Cola im halben County damit hätte süßen können.
    »Ja… na ja, ich muß mit Miss Garber sprechen und mit dem Direktor des Waisenhauses, aber wenn die nichts dagegen haben, dann wird es bestimmt gut.«
    Ganz offensichtlich war sie richtig glücklich darüber. Schachmatt.
    Am nächsten Tag brachte ich vierzehn Stunden damit zu, meinen Text zu lernen, meine Freunde zu beschimpfen und mich zu fragen, wie mein Leben so außer Kontrolle geraten konnte. Mein Jahr in der Abschlußklasse gestaltete sich ganz und gar nicht so, wie ich mir das zu Beginn des Jahres vorgestellt hatte. Aber wenn ich schon vor einer Meute von Waisenkindern Theater spielen mußte, wollte ich wenigstens nicht wie der letzte Trottel dastehen.

Kapitel 6
    Als erstes sprachen wir mit Miss Garber über unseren Plan für die Waisenkinder, und sie hielt es für eine großartige Idee. Großartig, das war ihr Lieblingswort, nachdem sie einen mit dem langgezogenen »Hallooooo« begrüßt hatte. Als sie am Montag merkte, daß ich meinen ganzen Text auswendig konnte, sagte sie »großartig«, und in den nächsten zwei Stunden sagte sie es jedesmal, wenn wir eine Szene durchgeprobt hatten. Am Ende der Proben am Montag hatte ich es ungefähr viertrillionenmal gehört.
    Aber Miss Garber setzte unserer Idee noch die Krone auf. Sie erzählte der Klasse, was wir vorhatten, und fragte die anderen Mitwirkenden, ob sie bereit wären, mitzumachen, damit die Waisenkinder das ganze Stück zu sehen bekämen. So wie sie fragte, konnte man natürlich nur zustimmen. Miss Garber ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen und wartete auf ein Nicken, damit es eine offizielle Entscheidung war. Keiner rührte sich, außer Eddie. Irgendwie hatte er eine

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