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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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zusammengebunden, achtzig Meter lang, fünfzig Meter breit. Ein Floß, groß wie ein Feld.
    Ein einzelnes Großsegel erhob sich aus der Mitte des Floßes. Dutzende kleiner Hilfssegel sprossen alle drei Meter am Rand empor; Dutzende von Seeleuten liefen gehetzt von einem Segeltuch zum anderen, heißten diese, refften jene – alle auf Befehl eines irr aussehenden Zwerges, der auf einer erhöhten Plattform neben dem Großmast stand.
    Als das große Fahrzeug herankam, warfen Leute der Besatzung Taue zu Wass’ Dschunke hinüber und zogen das kleine Schiff rasch heran; sie zerrten weiter, bis die Dschunke auf das Riesenfloß gezogen war. Josh, Jasmine, Beauty, Isis und Wass wurden gepackt, ihrer Waffen beraubt. Man fesselte sie aneinander und band sie an den Großsegelbaum in der Nähe der erhöhten Plattform, wo der Zwerg-Kapitän stand.
    Die Dschunke lag umgekippt auf dem Floß. Josh sah staunend zu, als eine Gruppe von Seeleuten erregt an einer langen Ranke zog, die vom Heck der Dschunke ins Meer reichte. Denn nach fünfzig Metern Liane tauchte die maskierte Frau auf: durchnässt, zerzaust, Jasmines Klinge noch in der Brust – seit der Nacht des Brandes im Schlepptau.
    Sie war offenbar immer noch am Leben, und die ganze Besatzung schien bei ihrem Anblick vor Freude außer sich zu geraten. Ein paar Matrosen schleppten sie in eine kleine Kabine gegenüber dem Großsegel, wo Josh angebunden war. Die anderen schoben die Dschunke ins Meer zurück, wo sie rasch vollief und versank.
    Schließlich begann der seltsame Kapitän wieder Befehle zu rufen. Die Besatzung lief herum, barg Segel oder zog sie hoch, bis das plumpe Floß sich endlich im Wind drehte und über die hohe See dorthin zurückfuhr, woher es gekommen war.
     
    Sie erreichten Venice am nächsten Morgen. Es war eine prachtvolle Stadt, mit schimmernden Glasbauten und Statuen, die im widergespiegelten Licht von tausend Kanälen glänzten. Die Stadt bestand in der Tat aus Hunderten kleiner Inseln, getrennt durch Kanäle mit einer Breite zwischen einem bis zu hundert Metern. Die Sonne bestrahlte die Gebäude nicht nur von oben, sondern auch indirekt mit den vom Wasser zurückgeworfenen Strahlen. Venice war lange bekannt als Stadt des Lichts.
    Die Gefangenen wurden vom großen Floß geholt und zum Dogenpalast getrieben. Hunderte von Bürgern unterbrachen ihre Tätigkeit, um den kleinen Zug zu begaffen – Josh und seine Begleiter, mit Stricken gefesselt, umgeben von Wachen, angeführt von dem erschreckenden Zwerg mit dem Bocksgesicht. Die Bewohner des Ortes schienen sich von den Wesen jedes anderen Orts kaum zu unterscheiden, neigten aber vielleicht zu etwas menschlicherem Aussehen. Kinder spielten mit Bällen, Wesen wogten durcheinander, alte Männer kehrten die Straßen. Joshua schien das ein fröhlicher Ort zu sein, zumal nach der Prüfung, die sie hinter sich hatten.
    Die Straßen wanden und schlängelten sich an den Kanälen entlang und überquerten sie, führten zwischen Gebäuden und unter Brücken hindurch, schraubten sich hinab zum Wasser, das die Stadt ringsum bespülte. Schließlich erreichte die kleine Kolonne einen großen umschlossenen Platz nicht weit von der Mitte der größten Insel. Sie blieben am Eingangstor stehen, während ein Bewacher aufschloss. Die Torflügel öffneten sich majestätisch, und vor ihnen stand der schimmernde Palast.
    Es war ein Werk der Liebe und von visionärer Kraft. Er nahm praktisch die halbe Insel ein, auf der er stand, und ragte hundert Meter und mehr in die Luft. Erbaut war er aus eigens gehärteten, unangreifbaren, rosenfarbenen Glasziegeln. Manche waren durchsichtig, andere nicht. Echte Edelsteine zierten die Fassade – Diamanten, Perlen, Granate – und die Kuppel war aus vergoldetem Lapislazuli, darauf befand sich ein riesiger Kristall-Dreizack, der zum Himmel hinaufwies. Der bloße Glanz blendete das Auge. Josh beschattete die seinen.
    Die Gefangenen wurden in den Vorsaal geführt und mussten dort auf dem kalten Quarzboden stehen. Sie fröstelten von ihrer nassen Fahrt. Man ließ sie ohne Aufsicht oder Bewachung, aber ganz offenkundig konnten sie nicht entwischen. Niemand sagte etwas. Das Fehlen von Nahrung, Schlaf und Wärme in den letzten Tagen hatte ihnen die Kraft geraubt. Nun warteten sie argwöhnisch und müde.
    Nach einiger Zeit brachte ein Page Suppe in einem großen Topf, die sie gierig tranken. Sonnenschein fiel durch die Glaswände und erwärmte den Raum mit Morgenglanz. Klappern und Lärm hallte von

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