Zeit und Welt genug
nicht, und fragte sich, was er tun sollte.
Er hätte warten können. Er hätte umkehren und es von neuem versuchen können. Er hätte weitersuchen können – noch immer standen fünfzig Meter Rankenlänge zur Verfügung. Er hätte nach Joshua rufen können, in der Hoffnung, Antwort von ihm zu bekommen.
Im dunklen, gefahrvollen Tunnel schien keine dieser Möglichkeiten ganz befriedigend zu sein.
Er fluchte still in sich hinein. Er hatte die richtigen Abzweigungen gefunden, auf die anderen Biegungen kam es nicht an.
Er wartete.
Jasmine stieg die letzte Sprosse im Schacht hinauf. Sie hob den Deckel einen halben Zentimeter und starrte durch den Spalt hinaus.
Ein großer Raum mit hoher Decke. Die beiden Wände, die sie sehen konnte, waren ausgefüllt von riesigen Konsolen voller Schalter, Knöpfe und Lampen. Nur zwei Neuromenschen waren anwesend. Einer saß auf einem Drehsessel vor der linken Konsole, der andere ging hin und her und justierte Geräteregler. Im Hintergrund übertönte das Surren von Turbinen alle Geräusche, die man sonst hätte hören können, etwa Stimmen in anderen Räumen. Vielleicht nur eine kleine Nachtbesatzung.
Jasmine konnte nur undeutlich erkennen, was an einigen Schaltern stand: ERSTE ETAGE WEST, LUNARIUM, HILFSLABORS. Das schien der richtige Ort zu sein. Es war der vierte Schacht, durch den sie hinaufgestiegen war. Die drei ersten hatten nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Hier, war sie richtig. Sie machte es sich so bequem wie möglich und wartete.
Isis saß sphinxhaft auf dem Außenrand eines Schlitzfensters vier Stockwerke hoch in der Burgfassade. Sie war mit sich zufrieden. Sie würde rechtzeitig erkennen, wann es zu handeln galt.
Unter ihr erloschen langsam die Lichter der Stadt. Es war schon spät. Die Bewohner gingen schlafen. Isis hob die Pfote an den Mund und biss dort hinein, wo es sie zwischen den Krallen juckte.
Wie gut das war. Sie schloss die Augen vor Entzücken, als ihr schmaler Eckzahn immer tiefer zu der Stelle vordrang, wo das Jucken war und ihr den Verstand rauben wollte – aber das würde ihm nicht gelingen, denn – ahhh – da war es, sie hatte es, sie biss hinein, immer wieder, und vernichtete das Jucken mit einem einzigen langen, herrlichen, lustvollen -
Da war etwas im Gange. Sie wusste nicht, was, aber da war etwas. Es hatte mit Joshua zu tun. Mehr noch – Joshua war in der Festung.
Sie stand gelassen auf, schob sich durch den Fensterschlitz, sprang auf den Boden hinab und huschte zum Flur.
Lon bog in einen halbdunklen Tunnel ein. Hier war ein Pfeil an der Wand. Er wusste es nicht genau, aber er schien von Wass zu stammen. Er hielt Ollies Hand fest. Die andere Hand des Jungen wurde von der Frau dahinter umklammert, und so die Reihe entlang bis zum letzten.
Hier gab es einen Quertunnel, in dem ein kalter Wind fauchte und unheimlich stöhnte, als müsse ein Tier qualvoll leiden. Zwei junge Mädchen, etwa an zehnter Stelle hinter Lon, gerieten in Angst, rissen sich los und hetzten einen anderen Quertunnel hinauf.
»Halt! Nicht weglaufen!« schrie Renfield, aber der Klang ihrer Schritte verlor sich in der schwarzen Röhre.
Lon eilte nach hinten. Renfield berichtete.
»Wir müssen sie holen«, sagte Renfield.
Lon schüttelte bekümmert den Kopf.
»Wenn ich sie suche, finde ich nie zu euch zurück. Sie sind verloren. Kommt«, sagte er dumpf und trat wieder an die Spitze des Zuges. »Fasst euch an den Händen und geht weiter!« befahl er.
Sie setzten sich wieder in Bewegung.
Isis erreichte das Ende eines fensterlosen Korridors. Offenkundig eine Sackgasse. Sie setzte sich, leckte ihre Pfote und fragte sich, warum sie hierhergekommen war, wo doch gar nichts stattfand. Mitten im Lecken hörte sie jedoch plötzlich auf und blieb bewegungslos sitzen. Sie starrte die erhobene Pfote an. Dann blickte sie auf.
Zwei Meter über ihr gab es in der Wand einen Luftschacht, ein dreißig Zentimeter breites Loch, bespannt mit einem dünnen Metallgitter. Natürlich, dachte Isis. Die Gänge, die man eigens für mich gemacht hat.
Sie war mit einem Sprung oben, klammerte sich mit den Krallen an das Gitter und blieb hängen, während sie mit den Hinterbeinen auf das Drahtgeflecht trommelte. Nach wenigen Augenblicken lösten sich die dünnen Stifte. Gitter und Katze stürzten auf den Boden hinab. Isis raffte sich sofort wieder auf, sprang in den Schacht hinein und lief durch die enge, dunkle Belüftungsröhre.
Das ist genau die richtige Größe, dachte
Weitere Kostenlose Bücher